Anfänger an Bord auf einem führerscheinfrei gemieteten Boot

By Published On: 26. Juni 2012

Ein Boot mieten führerscheinfrei. Das geht in der Seeenplatte ganz einfach und macht Spass! Tourentipp für eine Drei-Tages-Tour durch die Rheinsberger und Zechliner Gewässer.

Als Kind war der kleine Teich gleich hinter unserem Haus mein Lieblingsplatz. Am Küchentisch faltete ich zusammen mit meiner Mutter kleine Papierboote, trug sie später stolz und vorsichtig ans Ufer und ließ sie behutsam ins Wasser gleiten.

In meiner Fantasie stellte ich mir vor, wohin ich mit ihnen fahren würde. Dabei weite Wasserflächen sehen, die sich ständig wandelnden Ufer beobachten und festmachen, wo es mir gefiel. Traumhaft war auch die Vorstellung, abends in der Koje zu liegen und begleitet vom sanften Schaukeln des Bootes in den Schlaf hinüberzugleiten.

All diese Kindheitserinnerungen kamen mir wieder in den Sinn, als ich am Steg von Cardinal Boating Holidays in Fürstenberg stand. Denn zusammen mit vier Freunden sollte ich gleich zum ersten Hausbooturlaub meines Lebens aufbrechen. Fünf Berliner Landratten, deren Bootswissen sich auf gelegentliche Sonntagsausflüge mit Fahrgastschiffen auf der Spree beschränkte. Und obwohl Abenteuerlust und Vorfreude dominierten, flößte uns der Anblick der 13 Meter langen Europa 600 doch einigen Respekt ein und es herrschte allgemeiner Unglaube darüber, dass wir das Schiff auch heil durch die kommenden drei Tage manövrieren würden. Bugstrahlruder? Webleinstek? Wenden? Anlegen? Schleusen? Keiner von uns hatte auch nur die leiseste Ahnung und so erschienen uns Kollisionen mit anderen Schiffen und „Mann-über-Bord“ als nicht ganz unwahrscheinliche Szenarien.

Vor dem ersten Ablegen: Theorie und Praxis

Umso hilfreicher war da die dreistündige Einweisung – vom zukünftigen „Käpt’n“ der Crew mit besonderer Aufmerksamkeit zu durchlaufen und Voraussetzung für den Erhalt der Charterbescheinigung. Ähnlich wie in der Fahrschule beschäftigt sich der Theorie-Unterricht mit Verkehrsregeln und -zeichen, mit Schallzeichen und dem Verhalten beim Schleusen. Danach ging es für den praktischen Teil zum ersten Mal an Bord. Geduldig und ohne das Gefühl zu vermitteln, „dumme“ Fragen zu beantworten, erklärte uns Service-Mitarbeiter Enrico alles rund um die Handhabung des Bootes. Motor starten und stoppen, Vorwärts- und Rückwärtsfahren wurden bei einer kleinen Probefahrt ebenso geübt wie das Aufstoppen oder Wenden auf engem Raum. Nicht alles klappte gleich auf Anhieb, denn ein Boot reagiert viel langsamer als ein Auto. Eben mal anhalten geht nicht. Vor allem das Anlegen mit dem Heck zum Kai brauchte mehrere Anläufe und erinnerte doch sehr an die ersten kläglichen Einparkversuche meiner Fahrschulzeit. „Dann heißt es Ruhe bewahren und einfach nochmal von vorne anfangen“, bemerkte Enrico aufmunternd in Richtung unserer leicht skeptischen Gesichter. Gemeinschaftlich ging es dann noch an das korrekte Belegen der Klampe und Befestigen der Fender – dann wurde uns mit Übergabe der Charterbescheinigung Seetauglichkeit attestiert.

Rheinsberger und Zechliner Gewässer © Magazin Seenland
Warten auf den Schleusengang.

Eine Schleuse zum Auftakt

Nun hieß es: Gepäck in den Kojen und Lebensmittel in der Pantry verstauen. Und dabei bewundern, welcher Komfort sich unter Deck so versteckt. Drei Kojen für jeweils zwei Personen, dazu drei Badezimmer, ein Wohnbereich mit Sitzecke und Media-Center sowie eine kleine Küche, in der wirklich an alles gedacht wurde – von der Kaffemaschine bis hin zum Eierpiekser. Das schöne Wetter ließ uns jedoch nicht allzu lange trödeln und so wurde bei spätnachmittäglichem Sonnenschein der Motor angeworfen und in Richtung der Rheinsberger Gewässer abgelegt.

Zunächst ging es hinein in die recht schmale, von dichten Laubwäldern umrahmte Steinhavel. Für uns Fahranfänger eine erste Bewährungsprobe, vor allem, wenn sich von weitem Gegenverkehr ankündigte. „Da passen wir doch niemals vorbei!“, war die einheitliche Meinung an Bord. Die Breite des Bootes noch nicht wirklich im Gefühl, hieß es dann, die Geschwindigkeit herunterschrauben und langsam vorbeigleiten.

Mit der Schleuse Steinhavel folgte auch lückenlos Bewährungsprobe Nr. 2. Besonders im Sommer ist an der Schleuse eine Menge Betrieb und längere Wartezeiten müssen eingerechnet werden. Auch wir hatten etwas Pech: Zuerst war der Gegenverkehr an der Reihe, danach beanspruchte ein Fahrgastschiff die fast 42 Meter lange Schleusenkammer für sich. Dann war es jedoch soweit, die Ampel wechselte auf grün und wir manövrierten uns – auch noch als erste! – langsam und vorsichtig in die nur 5,3 Meter breite Schleusenkammer. Um sicher zu gehen, warnten wir den Wärter auch gleich vor, dass dies unser Premieren-Schleusengang sei. Er half uns, an der Wand festzumachen und wenig später floss auch schon Wasser in den engen Schlauch und hob uns auf ein 1,6 Meter höheres Niveau. Leichter als gedacht. Als sich die Schleusentore wieder öffneten und sich die Steinhavel idyllisch mäandernd durch die Landschaft zog, fühlte ich, wie die bisherige Anspannung allmählich wich.

Rheinsberger und Zechliner Gewässer © Magazin Seenland
Jeder darf mal Käpt’n sein – dank Charterbescheinigung.

Baden und Ankern in freier Natur

Hinter Steinförde änderte sich die Landschaft. See reihte sich an See, immer wieder unterbrochen durch die Havel und verschiedene lauschige Kanäle. So ging es schon bald in den Ellbogensee – ein Gewässer, das den Namen wohl seiner z-förmig geschwungenen Gestalt verdankt. Kaum andere Boote waren hier unterwegs, nur vereinzelt saßen Angler in ihren kleinen Nussschalen. Sonst, so weit man blicken konnte: mit Schilf bewachsene Ufer und Wasser, auf dem die Abendsonne schimmerte. Eine perfekte Kulisse, um die bootseigene Badeplattform einzuweihen. Also schnell den Anker geworfen, Badesachen angezogen und ohne viel Federlesen rein ins kühle Nass.

An der Schleuse Strasen kamen wir mit dem letzten Schwung des Tages noch durch und erreichten kurz dahinter den Großen Pälitzsee. Wieder ein langgezogenes Gewässer, buchtenreich geschwungen und umgeben von dichten Wäldern und Schilfgürteln. Wir beschlossen, den See bis zu seinem Südzipfel zu überqueren und uns dort einen Ankerplatz für die Nacht zu suchen. Auf dem Herd köchelnte mittlerweile schon ein herzhaftes Chili, tauchte das ganze Boot in einen herrlichen Duft und schürte den Hunger. Also schnell in der gemütlichen Essecke Platz genommen, vor uns die dampfenden Teller und im Hintergrund Elvis Presley, der leise aus den Boxen der Anlage tönte. Noch nie hatte ein so einfaches Essen so gut geschmeckt.

Auf Kanälen und Seen gen Rheinsberg

Am nächsten Morgen weckten uns Sonnenstrahlen, die sich vehement ihren Weg durch die Kojenfenster suchten. Zwar war es draußen noch empfindlich kalt, doch der Anblick der Umgebung machte das Frühstück an Deck zu einem unbedingten Muss. Um uns herum ein Uferwald in den unterschiedlichsten Grünschattierungen, wabernder Frühnebel, der sich über die Wasseroberfläche zog und ein Morgenhimmel in strahlendem Blau. Dazu frisch gebrühter Kaffee und ofenwarme Brötchen.

Gut gestärkt hieß es dann Anker einholen, Motor starten und ab in Richtung Rheinsberg. Vor der Schleuse Wolfsbruch kündigte sich leider schon aus der Ferne eine längere Warteschlange an. Nicht weiter tragisch – so blieb Zeit für einen kleinen Plausch mit den anderen Bootsmannschaften. Über Schiffstypen wurde gefachsimpelt, Tour-Erfahrungen und Wetterberichte wurden ausgetauscht. Und wie es aussah, würden wir in den kommenden Tagen noch in den Genuss einer ausgewachsenen Regenfront kommen. Boot fahren im Regen – vielleicht auch ganz abenteuerlich. Den Schleusengang absolvierten wir dann fast schon profimäßig. So, als hätten wir nie etwas anderes getan. Danach ging es durch den Tietzowsee und hinein in den schmalen Jagowkanal. Ringsum Auenwälder, teils licht, teils urwaldartig. An der Mündung des Kanals in den Schlabornsee liegt die kleine Ortschaft Zechliner Hütte. Bootsanleger und malerische Wassergrundstücke schmiegen sich hier an die Ufer.

Auf Kanälen und Seen gen Rheinsberg

Anlaufschwierigkeiten in Rheinsberg

Wenig später öffnete sich dann die ausgedehnte Wasserfläche des Rheinsberger Sees. Die Nähe zum Touristenmagneten Rheinsberg war hier schon deutlich spürbar. Fahrgastschiffe und viele andere Boote kreuzten auf dem Gewässer und wir kamen aus dem unter Bootsfahrern üblichen Grüßen und Winken gar nicht mehr heraus. Mit der Reke nochmal ein schmaler Kanal und dann kam unser Tagesziel in Sicht: der Grienericksee. Majestätisch erhebt sich hier Schloss Rheinsberg am südöstlichen Ufer und so beschlossen wir im Hafen der Reederei Halbeck und damit in Schlossnähe anzulegen. Ein ambitioniertes Ziel, benötigt doch Ankern auf dem offenen See weit weniger Übung als das Hineinmanövrieren in einen engen Liegeplatz. So fuhren wir gleich mehrere Ehrenrunden, um den richtigen Einparkwinkel zu erwischen. Dabei boten wir den Besatzungen der bereits sicher am Steg festgemachten Boote ein ungewollt amüsantes, etwa halbstündiges Unterhaltungsprogramm. Bei Kaffee und Kuchen beobachteten sie unsere kläglichen Anfängerversuche, bevor sich einige doch erbarmten und uns durch Einweisungskommandos die Richtung wiesen.

Landgang durch den Schlosspark

Kultur und Beine vertreten war für den Rest des Tages angesagt. Bei strahlendem Sonnenschein ging es in die Stadt und in Richtung Schloss. Ausgiebig spazierten wir durch den Park, sahen uns bei einer Führung das prunkvolle Schlossinnenleben an und stellten uns dabei vor, wie hier einst Kronprinz Friedrich der Große aufwändig inszenierte Feste feierte oder wie Fontane das Schloss auf seinen Wanderungen besuchte. Auf dem Rückweg entlang der Uferpromenade löst sich das Speiseplan-Problem fürs Abendbrot ganz von allein, denn auf einer kleinen Anhöhe entdeckten wir die Fischerei Eilke.

Das Angebot in der Theke war umfangreich, von Aal bis Zander. Wir entschieden uns für drei große Forellen-Exemplare. Pünktlich zum Verspeisen des ersten Bissens setzte dann der vorhergesagte Regen ein. Also kein Dinieren an, dafür bei Kerzenschein gemütlich unter Deck. Satt und zufrieden nutzten wir später die Annehmlichkeiten, die das Boot für Regentage bietet: Eine umfangreiche Spielesammlung und vor allem: Satellitenfernsehen! So mussten wir, trotz fern dem heimischen Wohnzimmer, nicht auf den sonntäglichen „Tatort“ verzichten.

Seen-Hopping – manchmal lohnt ein Blick zurück

Zu den Zechliner Gewässern

Auch am nächsten Morgen hatte der Regen noch immer nicht nachgelassen und eine graue Suppe hing über dem See. Während unsere Liegeplatznachbarn lieber im Hafen auf besseres Wetter warteten, wagten wir nach dem Frühstück die Weiterfahrt in Richtung Zechliner Gewässer. Weit kamen wir allerdings nicht. Dicke Regentropfen und heftiger Wind peitschten ins Gesicht und zwangen uns, den Outdoor-Steuerstand aufzugeben. Unter Deck war es zwar trocken und die Scheibenwischer rotierten auf höchster Geschwindigkeit, trotzdem reichte der Blick keine zwei Meter. Ein Zwischenstopp im kleinen Bikowsee war daher unumgänglich.

Erst gegen Nachmittag klarte es allmählich auf und weiter ging die Fahrt, durch den buchtenreich gegliederten Zootzensee und hinein in den Repenter Kanal. Dieser führt so klares Wasser, dass wir die ganze Zeit über kleine Fische und die hin und her wogende Unterwasservegetation beobachten konnten. Ganz allein waren wir hier unterwegs. Keine anderen Boote, keine Anzeichen von Ortschaften. Nur Stille, Natur und das leise Rauschen der Schiffsschraube. Nach zwei Kilometern erreichten wir den Großen Zechliner See – bis zu 36 Meter tief und mit einer Wasserqualität, die als die beste der gesamten Mecklenburgischen Seenplatte gilt. Dahinter der Schwarze See. Das südliche Ufer ist hier komplett mit dichtestem Wald aus uralten Buchen und Eichen bewachsen, am nördlichen Ufer zieht sich das kleine Örtchen Flecken Zechlin mit Wassergrundstücken und Bootsanlegern einen Hang hinauf. Wir beschlossen zu ankern und einen Sprung ins Wasser zu wagen.

Auf dem Rückweg herrschte an der Schleuse Strasen reger Verkehr. Die Wartezeit nutzten wir für einen Spaziergang zum nahe gelegenen Fischverkauf und deckten uns mit kulinarischen Souvenirs ein. Wurde auf dem Hinweg aufwärts geschleust, ging es nun 1,50 Meter bergab. Dabei wurde überdeutlich, warum man bei der Einweisung so inständig davor gewarnt hatte, das Boot in der Schleusenkammer allzu fest zu vertäuen. Nicht selten komme es nämlich vor, dass, sobald das Wasser sinkt, Boote förmlich in der Luft hängen. Auf dem Ellbogensee suchten wir uns einen Ankerplatz und ließen den Tag beim Beobachten der untergehenden Sonne ausklingen.

Ein letztes mal die Klampe belegen. Dann heißt es: Auf bald, Europa 600!

Auf den Geschmack gekommen

Am nächsten Morgen war es sehr still an Bord. Keiner wollte so recht zurück. Drei Tage inmitten von Natur, so viele unvergessliche Eindrücke. Dazu die Freiheit, festzumachen wo und wann man will, morgens nach dem Aufstehen gleich ins Wasser zu springen und danach mitten auf dem See zu frühstücken. Undenkbar war es da, bald wieder Straßenlärm, Menschenmassen und steinerne Wohnungswände um sich zu haben. Als wir unsere Europa 600 am Steg von Cardinal Boating Holidays anlegten, das leise Surren des Motors verstummte und wir „Klarschiff machten“, war eines klar: Wir waren auf den Geschmack gekommen. Später, den kleinen „Kulturschock“ am Berliner Hauptbahnhof überwunden, saßen wir daher noch lange am Spree-Ufer, sahen den vorbeifahrenden Schiffen nach und planten in Gedanken schon den nächsten Booturlaub.

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Anfänger an Bord auf einem führerscheinfrei gemieteten Boot
By |10,8 min read|2119 words|Published On: 26. Juni 2012|

Ein Boot mieten führerscheinfrei. Das geht in der Seeenplatte ganz einfach und macht Spass! Tourentipp für eine Drei-Tages-Tour durch die Rheinsberger und Zechliner Gewässer.

Als Kind war der kleine Teich gleich hinter unserem Haus mein Lieblingsplatz. Am Küchentisch faltete ich zusammen mit meiner Mutter kleine Papierboote, trug sie später stolz und vorsichtig ans Ufer und ließ sie behutsam ins Wasser gleiten.

In meiner Fantasie stellte ich mir vor, wohin ich mit ihnen fahren würde. Dabei weite Wasserflächen sehen, die sich ständig wandelnden Ufer beobachten und festmachen, wo es mir gefiel. Traumhaft war auch die Vorstellung, abends in der Koje zu liegen und begleitet vom sanften Schaukeln des Bootes in den Schlaf hinüberzugleiten.

All diese Kindheitserinnerungen kamen mir wieder in den Sinn, als ich am Steg von Cardinal Boating Holidays in Fürstenberg stand. Denn zusammen mit vier Freunden sollte ich gleich zum ersten Hausbooturlaub meines Lebens aufbrechen. Fünf Berliner Landratten, deren Bootswissen sich auf gelegentliche Sonntagsausflüge mit Fahrgastschiffen auf der Spree beschränkte. Und obwohl Abenteuerlust und Vorfreude dominierten, flößte uns der Anblick der 13 Meter langen Europa 600 doch einigen Respekt ein und es herrschte allgemeiner Unglaube darüber, dass wir das Schiff auch heil durch die kommenden drei Tage manövrieren würden. Bugstrahlruder? Webleinstek? Wenden? Anlegen? Schleusen? Keiner von uns hatte auch nur die leiseste Ahnung und so erschienen uns Kollisionen mit anderen Schiffen und „Mann-über-Bord“ als nicht ganz unwahrscheinliche Szenarien.

Vor dem ersten Ablegen: Theorie und Praxis

Umso hilfreicher war da die dreistündige Einweisung – vom zukünftigen „Käpt’n“ der Crew mit besonderer Aufmerksamkeit zu durchlaufen und Voraussetzung für den Erhalt der Charterbescheinigung. Ähnlich wie in der Fahrschule beschäftigt sich der Theorie-Unterricht mit Verkehrsregeln und -zeichen, mit Schallzeichen und dem Verhalten beim Schleusen. Danach ging es für den praktischen Teil zum ersten Mal an Bord. Geduldig und ohne das Gefühl zu vermitteln, „dumme“ Fragen zu beantworten, erklärte uns Service-Mitarbeiter Enrico alles rund um die Handhabung des Bootes. Motor starten und stoppen, Vorwärts- und Rückwärtsfahren wurden bei einer kleinen Probefahrt ebenso geübt wie das Aufstoppen oder Wenden auf engem Raum. Nicht alles klappte gleich auf Anhieb, denn ein Boot reagiert viel langsamer als ein Auto. Eben mal anhalten geht nicht. Vor allem das Anlegen mit dem Heck zum Kai brauchte mehrere Anläufe und erinnerte doch sehr an die ersten kläglichen Einparkversuche meiner Fahrschulzeit. „Dann heißt es Ruhe bewahren und einfach nochmal von vorne anfangen“, bemerkte Enrico aufmunternd in Richtung unserer leicht skeptischen Gesichter. Gemeinschaftlich ging es dann noch an das korrekte Belegen der Klampe und Befestigen der Fender – dann wurde uns mit Übergabe der Charterbescheinigung Seetauglichkeit attestiert.

Rheinsberger und Zechliner Gewässer © Magazin Seenland
Warten auf den Schleusengang.

Eine Schleuse zum Auftakt

Nun hieß es: Gepäck in den Kojen und Lebensmittel in der Pantry verstauen. Und dabei bewundern, welcher Komfort sich unter Deck so versteckt. Drei Kojen für jeweils zwei Personen, dazu drei Badezimmer, ein Wohnbereich mit Sitzecke und Media-Center sowie eine kleine Küche, in der wirklich an alles gedacht wurde – von der Kaffemaschine bis hin zum Eierpiekser. Das schöne Wetter ließ uns jedoch nicht allzu lange trödeln und so wurde bei spätnachmittäglichem Sonnenschein der Motor angeworfen und in Richtung der Rheinsberger Gewässer abgelegt.

Zunächst ging es hinein in die recht schmale, von dichten Laubwäldern umrahmte Steinhavel. Für uns Fahranfänger eine erste Bewährungsprobe, vor allem, wenn sich von weitem Gegenverkehr ankündigte. „Da passen wir doch niemals vorbei!“, war die einheitliche Meinung an Bord. Die Breite des Bootes noch nicht wirklich im Gefühl, hieß es dann, die Geschwindigkeit herunterschrauben und langsam vorbeigleiten.

Mit der Schleuse Steinhavel folgte auch lückenlos Bewährungsprobe Nr. 2. Besonders im Sommer ist an der Schleuse eine Menge Betrieb und längere Wartezeiten müssen eingerechnet werden. Auch wir hatten etwas Pech: Zuerst war der Gegenverkehr an der Reihe, danach beanspruchte ein Fahrgastschiff die fast 42 Meter lange Schleusenkammer für sich. Dann war es jedoch soweit, die Ampel wechselte auf grün und wir manövrierten uns – auch noch als erste! – langsam und vorsichtig in die nur 5,3 Meter breite Schleusenkammer. Um sicher zu gehen, warnten wir den Wärter auch gleich vor, dass dies unser Premieren-Schleusengang sei. Er half uns, an der Wand festzumachen und wenig später floss auch schon Wasser in den engen Schlauch und hob uns auf ein 1,6 Meter höheres Niveau. Leichter als gedacht. Als sich die Schleusentore wieder öffneten und sich die Steinhavel idyllisch mäandernd durch die Landschaft zog, fühlte ich, wie die bisherige Anspannung allmählich wich.

Rheinsberger und Zechliner Gewässer © Magazin Seenland
Jeder darf mal Käpt’n sein – dank Charterbescheinigung.

Baden und Ankern in freier Natur

Hinter Steinförde änderte sich die Landschaft. See reihte sich an See, immer wieder unterbrochen durch die Havel und verschiedene lauschige Kanäle. So ging es schon bald in den Ellbogensee – ein Gewässer, das den Namen wohl seiner z-förmig geschwungenen Gestalt verdankt. Kaum andere Boote waren hier unterwegs, nur vereinzelt saßen Angler in ihren kleinen Nussschalen. Sonst, so weit man blicken konnte: mit Schilf bewachsene Ufer und Wasser, auf dem die Abendsonne schimmerte. Eine perfekte Kulisse, um die bootseigene Badeplattform einzuweihen. Also schnell den Anker geworfen, Badesachen angezogen und ohne viel Federlesen rein ins kühle Nass.

An der Schleuse Strasen kamen wir mit dem letzten Schwung des Tages noch durch und erreichten kurz dahinter den Großen Pälitzsee. Wieder ein langgezogenes Gewässer, buchtenreich geschwungen und umgeben von dichten Wäldern und Schilfgürteln. Wir beschlossen, den See bis zu seinem Südzipfel zu überqueren und uns dort einen Ankerplatz für die Nacht zu suchen. Auf dem Herd köchelnte mittlerweile schon ein herzhaftes Chili, tauchte das ganze Boot in einen herrlichen Duft und schürte den Hunger. Also schnell in der gemütlichen Essecke Platz genommen, vor uns die dampfenden Teller und im Hintergrund Elvis Presley, der leise aus den Boxen der Anlage tönte. Noch nie hatte ein so einfaches Essen so gut geschmeckt.

Auf Kanälen und Seen gen Rheinsberg

Am nächsten Morgen weckten uns Sonnenstrahlen, die sich vehement ihren Weg durch die Kojenfenster suchten. Zwar war es draußen noch empfindlich kalt, doch der Anblick der Umgebung machte das Frühstück an Deck zu einem unbedingten Muss. Um uns herum ein Uferwald in den unterschiedlichsten Grünschattierungen, wabernder Frühnebel, der sich über die Wasseroberfläche zog und ein Morgenhimmel in strahlendem Blau. Dazu frisch gebrühter Kaffee und ofenwarme Brötchen.

Gut gestärkt hieß es dann Anker einholen, Motor starten und ab in Richtung Rheinsberg. Vor der Schleuse Wolfsbruch kündigte sich leider schon aus der Ferne eine längere Warteschlange an. Nicht weiter tragisch – so blieb Zeit für einen kleinen Plausch mit den anderen Bootsmannschaften. Über Schiffstypen wurde gefachsimpelt, Tour-Erfahrungen und Wetterberichte wurden ausgetauscht. Und wie es aussah, würden wir in den kommenden Tagen noch in den Genuss einer ausgewachsenen Regenfront kommen. Boot fahren im Regen – vielleicht auch ganz abenteuerlich. Den Schleusengang absolvierten wir dann fast schon profimäßig. So, als hätten wir nie etwas anderes getan. Danach ging es durch den Tietzowsee und hinein in den schmalen Jagowkanal. Ringsum Auenwälder, teils licht, teils urwaldartig. An der Mündung des Kanals in den Schlabornsee liegt die kleine Ortschaft Zechliner Hütte. Bootsanleger und malerische Wassergrundstücke schmiegen sich hier an die Ufer.

Auf Kanälen und Seen gen Rheinsberg

Anlaufschwierigkeiten in Rheinsberg

Wenig später öffnete sich dann die ausgedehnte Wasserfläche des Rheinsberger Sees. Die Nähe zum Touristenmagneten Rheinsberg war hier schon deutlich spürbar. Fahrgastschiffe und viele andere Boote kreuzten auf dem Gewässer und wir kamen aus dem unter Bootsfahrern üblichen Grüßen und Winken gar nicht mehr heraus. Mit der Reke nochmal ein schmaler Kanal und dann kam unser Tagesziel in Sicht: der Grienericksee. Majestätisch erhebt sich hier Schloss Rheinsberg am südöstlichen Ufer und so beschlossen wir im Hafen der Reederei Halbeck und damit in Schlossnähe anzulegen. Ein ambitioniertes Ziel, benötigt doch Ankern auf dem offenen See weit weniger Übung als das Hineinmanövrieren in einen engen Liegeplatz. So fuhren wir gleich mehrere Ehrenrunden, um den richtigen Einparkwinkel zu erwischen. Dabei boten wir den Besatzungen der bereits sicher am Steg festgemachten Boote ein ungewollt amüsantes, etwa halbstündiges Unterhaltungsprogramm. Bei Kaffee und Kuchen beobachteten sie unsere kläglichen Anfängerversuche, bevor sich einige doch erbarmten und uns durch Einweisungskommandos die Richtung wiesen.

Landgang durch den Schlosspark

Kultur und Beine vertreten war für den Rest des Tages angesagt. Bei strahlendem Sonnenschein ging es in die Stadt und in Richtung Schloss. Ausgiebig spazierten wir durch den Park, sahen uns bei einer Führung das prunkvolle Schlossinnenleben an und stellten uns dabei vor, wie hier einst Kronprinz Friedrich der Große aufwändig inszenierte Feste feierte oder wie Fontane das Schloss auf seinen Wanderungen besuchte. Auf dem Rückweg entlang der Uferpromenade löst sich das Speiseplan-Problem fürs Abendbrot ganz von allein, denn auf einer kleinen Anhöhe entdeckten wir die Fischerei Eilke.

Das Angebot in der Theke war umfangreich, von Aal bis Zander. Wir entschieden uns für drei große Forellen-Exemplare. Pünktlich zum Verspeisen des ersten Bissens setzte dann der vorhergesagte Regen ein. Also kein Dinieren an, dafür bei Kerzenschein gemütlich unter Deck. Satt und zufrieden nutzten wir später die Annehmlichkeiten, die das Boot für Regentage bietet: Eine umfangreiche Spielesammlung und vor allem: Satellitenfernsehen! So mussten wir, trotz fern dem heimischen Wohnzimmer, nicht auf den sonntäglichen „Tatort“ verzichten.

Seen-Hopping – manchmal lohnt ein Blick zurück

Zu den Zechliner Gewässern

Auch am nächsten Morgen hatte der Regen noch immer nicht nachgelassen und eine graue Suppe hing über dem See. Während unsere Liegeplatznachbarn lieber im Hafen auf besseres Wetter warteten, wagten wir nach dem Frühstück die Weiterfahrt in Richtung Zechliner Gewässer. Weit kamen wir allerdings nicht. Dicke Regentropfen und heftiger Wind peitschten ins Gesicht und zwangen uns, den Outdoor-Steuerstand aufzugeben. Unter Deck war es zwar trocken und die Scheibenwischer rotierten auf höchster Geschwindigkeit, trotzdem reichte der Blick keine zwei Meter. Ein Zwischenstopp im kleinen Bikowsee war daher unumgänglich.

Erst gegen Nachmittag klarte es allmählich auf und weiter ging die Fahrt, durch den buchtenreich gegliederten Zootzensee und hinein in den Repenter Kanal. Dieser führt so klares Wasser, dass wir die ganze Zeit über kleine Fische und die hin und her wogende Unterwasservegetation beobachten konnten. Ganz allein waren wir hier unterwegs. Keine anderen Boote, keine Anzeichen von Ortschaften. Nur Stille, Natur und das leise Rauschen der Schiffsschraube. Nach zwei Kilometern erreichten wir den Großen Zechliner See – bis zu 36 Meter tief und mit einer Wasserqualität, die als die beste der gesamten Mecklenburgischen Seenplatte gilt. Dahinter der Schwarze See. Das südliche Ufer ist hier komplett mit dichtestem Wald aus uralten Buchen und Eichen bewachsen, am nördlichen Ufer zieht sich das kleine Örtchen Flecken Zechlin mit Wassergrundstücken und Bootsanlegern einen Hang hinauf. Wir beschlossen zu ankern und einen Sprung ins Wasser zu wagen.

Auf dem Rückweg herrschte an der Schleuse Strasen reger Verkehr. Die Wartezeit nutzten wir für einen Spaziergang zum nahe gelegenen Fischverkauf und deckten uns mit kulinarischen Souvenirs ein. Wurde auf dem Hinweg aufwärts geschleust, ging es nun 1,50 Meter bergab. Dabei wurde überdeutlich, warum man bei der Einweisung so inständig davor gewarnt hatte, das Boot in der Schleusenkammer allzu fest zu vertäuen. Nicht selten komme es nämlich vor, dass, sobald das Wasser sinkt, Boote förmlich in der Luft hängen. Auf dem Ellbogensee suchten wir uns einen Ankerplatz und ließen den Tag beim Beobachten der untergehenden Sonne ausklingen.

Ein letztes mal die Klampe belegen. Dann heißt es: Auf bald, Europa 600!

Auf den Geschmack gekommen

Am nächsten Morgen war es sehr still an Bord. Keiner wollte so recht zurück. Drei Tage inmitten von Natur, so viele unvergessliche Eindrücke. Dazu die Freiheit, festzumachen wo und wann man will, morgens nach dem Aufstehen gleich ins Wasser zu springen und danach mitten auf dem See zu frühstücken. Undenkbar war es da, bald wieder Straßenlärm, Menschenmassen und steinerne Wohnungswände um sich zu haben. Als wir unsere Europa 600 am Steg von Cardinal Boating Holidays anlegten, das leise Surren des Motors verstummte und wir „Klarschiff machten“, war eines klar: Wir waren auf den Geschmack gekommen. Später, den kleinen „Kulturschock“ am Berliner Hauptbahnhof überwunden, saßen wir daher noch lange am Spree-Ufer, sahen den vorbeifahrenden Schiffen nach und planten in Gedanken schon den nächsten Booturlaub.

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