„Kesslers Expedition“: Seenland zu Gast beim TV-Floß-Abenteuer auf der Havel

By |7 Minuten Lesezeit|1406 Wörter|Veröffentlich am: 12. Mai 2021|

„Kesslers Expedition“ gehört zu den beliebtesten Sendereihen des rbb. Mittlerweile gibt es 17 Staffeln, in denen Comedian Michael Kessler mal mit dem Kanu, mal mit dem Klapprad, mal mit einem Esel durch deutsche Lande zieht. In der dritten Staffel ging es an Bord eines Floßes – ganz im Sinne von Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

In Brandenburg an der Havel ging auch Seenland-Redakteurin Christin Meißner für einen Tag an Bord der schwimmende Hütte, erfuhr wie es ist, bei Starkregen Floß zu fahren, ließ sich von Michael Kessler sein rustikal-spartanisches Reich zeigen und  begleitete ihn auf einem Rundgang durch die Wasserstadt. Ohne strikte Drehbuchvorgaben sucht er dabei, ob auf dem Wasser oder an Land, das Gespräch mit den Menschen vor Ort. Auf diese Weise erzählt er kleine regionale Geschichten und zeichnet ein Brandenburg-Bild fernab gängiger Klischees.

„Kesslers Expedition“ von Wesenberg bis Havelberg

Zwei Wochen, 286 Kilometer havelabwärts, vier Knoten und 17 Quadratmeter – das waren die Eckdaten der dritten Ausgabe von „Kesslers Expedition“. Los ging es in Wesenberg. Havelberg war das Ziel der abenteuerlichen Reise für Kapitän, Crew und Bord-Papagei Lori. Doch eigentlich hatte Kessler mit etwas anderem gerechnet. Hatte der rbb ihm nicht eine Art „Kreuzfahrt“ versprochen? Angemessen wie der Comedian fand, war er doch zuvor für den Sender schon zweimal auf recht strapaziöse Trips gegangen: Zum einen mit dem Kanu auf der Spree entlang, zum anderen mit Esel Elias auf einen 200-Kilometer-Marsch von Berlin bis nach Usedom. Doch nichts da.

Kein Luxuskreuzfahrtschiff, kein Captain’s Dinner im edlen Zwirn, kein Sonnenbaden und Cocktails schlürfen an Deck. Stattdessen: ein Motorfloß mit Namen MF „Schuhkarton“. Getauft hat Kessler es selbst. Und als er mich am Jungfernsteig in Brandenburg an der Havel an Bord bittet, wird auch klar, warum. Denn auf rund 17 Quadratmetern ist hier alles untergebracht, was man für spartanisch-rustikales Reisen braucht: Doppelstockbett, Geschirr, Gaskocher, separates Klo. Dazwischen das übliche Chaos, das auf so engem Raum zwangsläufig entsteht. Neben Kamera- und Tonmann ebenfalls immer mit an Bord: Papagei „Lori“, der über eine Papageienpartnervermittlung seinen Weg zu Kessler fand. Ein idealer Weggefährte, denn wie der Comedian beherrscht auch der buntgefiederte Vogel die Kunst der Imitation. Mal quasselt er in bayerischem Dialekt, mal ahmt er perfekt einen Handy-Klingelton nach.

Der Zufall schreibt das Drehbuch von „Kesslers Expedition“

Neun Tage sind Kessler und sein Filmteam seit ihrem Start in Wesenberg nun schon unterwegs und haben rund 200 Kilometer zurückgelegt. Ein solches Floß zu steuern, sei recht einfach, meint Kessler, dessen Bootserfahrungen sich auf einen Segelschein beschränken, den er mit 16 Jahren gemacht hat. „Das Ganze fährt sich eigentlich wie ein Auto. Nur muss man bedenken, dass hinten noch drei Meter dran sind. Vor allem beim ersten Mal Schleusen und beim Anlegen im Hafen war das anfangs recht aufregend“, erklärt der mittlerweile 55-Jährige und zeigt mir seinen Steuersitz. Manchmal hätte er sich schon ein paar mehr PS gewünscht, als die fünf, die sich hier unter der „Haube“ verstecken. Doch eigentlich sei die Geschwindigkeit von rund acht Stundenkilometern angemessen – genauso gemächlich wie das Wasser fließt.

„Ich bin ein neugieriger Mensch“, sagt Kessler über sich selbst. Eine gute Voraussetzung für ein TV-Format wie „Kesslers Expedition“, denn ein Drehbuch für die Reise existiert nicht. Zwar gibt die Havel natürlich die Route vor, wie die Tage jedoch ablaufen und welche Begegnungen stattfinden, ist vollkommen spontan und dem Zufall überlassen. „Wir haben das Konzept der ‚Berliner Nachttaxe‘ auf das Reisen übertragen. Fahren, schleusen, reden. Das ist das Drehbuch“, so Kessler. Ein einfaches wie unterhaltsames Konzept, wie sich bei einem Spaziergang durch Brandenburg an der Havel auch gleich anschaulich zeigt.

Reality-TV ja – Vorführen nein

Am Neustädter Markt spricht er mit einem freundlichen „Hallo, ich bin der Michael“ ein junges Pärchen an, das auf einer Bank die freie Zeit genießt. Erst ein paar verdutzte Gesichter wegen Kamera und Tonangel, dann aber kommt man schnell ins Gespräch. Denn Kessler geht respektvoll, interessiert und entspannt auf die Menschen zu, findet immer den richtigen Zugang und lässt Kamerascheu dadurch gar nicht erst aufkommen. Er stellt alltägliche Fragen und lässt die Menschen dann einfach erzählen. So erfährt er, dass die beiden zwar an ihrer Heimat hängen, wohl über kurz oder lang Brandenburg aber verlassen werden. Die Chancen auf einen Job seien hier einfach zu gering.

„Wir wollen kleine Geschichten erzählen. Aber ohne dabei die Menschen vorzuführen, wie es im Reality-TV häufig der Fall ist“, so Kessler später bei einem Stück Pflaumenkuchen im Café nahe dem Dom St. Peter und Paul. Gänzlich uneitel wirkt er dabei. Kein Visagist, der die Puderquaste schwingt, kein Haarstylist, der das Haupthaar richtet. Und dass, obwohl ein Drehtag schon mal von 8 bis 23 Uhr dauern kann – wohl gemerkt mit Pausen. Auch touristische Attraktionen wolle man nicht abarbeiten, sondern ein Brandenburg-Bild über die Begegnungen mit den Menschen vor Ort zeichnen. Und davon gab es bisher jede Menge.

Begegnungen auf und an der Havel

In Priepert ließ sich Kessler von einem schwäbischen Bootskapitän dessen Schiff zeigen und erfuhr, dass dieser mit seiner Frau jedes Jahr hierherkomme. Wegen dem „Wahnsinns-Wasserrevier“ und „der Ruhe und Natur“. In Himmelpfort traf er auf zwei befreundete Neuruppiner Familien, die schon seit 20 Jahren gemeinsam Bootsurlaub machen. Man lud ihn spontan zum gemeinsamen Grillen und morgens zum Frühstücken ein. Später gesellte er sich zu zwei angelnden Frauen in deren Kahn. Premiere für Kessler: Das erste Mal in seinem Leben wirft er eine Angel aus. In Zehdenick setzte er sich zu einer Gruppe Rentnerinnen, die unter der Marktplatz-Linde ihren alltäglichen Mittagsplausch abhielten. Man erzählte ihm von den Folgen der Wende, dass diese für einige Arbeitslosigkeit und Frust, für einige aber auch neue Chancen nach sich zog.

Weit mehr als das gängige Brandenburg-Klischee

Eine der schönsten Begegnungen war auch jene mit Fischerlehrling André bei Caputh. Der junge Mann fischt Sommer wie Winter traditionell mit Reusen und Netzen, genauso wie es in seiner Familie seit Generationen üblich ist. Mit ihm durfte Kessler rausfahren und beim Netzeinholen assistieren. Wirklich überraschend fand er die Offenheit und die geringen Berührungsängste der Menschen. „Keiner verlangte eine Drehgenehmigung oder rief ‚Runter vom Grundstück!‘“, meint der Wahlkölner, der darin eine typische Ost-Mentalität vermutet. „Sie lassen mich ja bereitwillig ein Stück in ihr Leben. Ich bin mir nicht sicher, ob das im Westen ebenso funktioniert hätte.“ Dem einseitigen Brandenburg-Klischee von Trostlosigkeit, Arbeitslosigkeit und Rechtenhochburg wolle man mit „Kesslers Expedition“ etwas entgegensetzen, so der Comedian später wieder zurück an Bord. „Ich find’s toll hier. Wunderschön und ursprünglich.“ Sagt’s und nimmt Platz am Steuerrad.

„Vielleicht mal wieder segeln“

Weiter geht die Fahrt. Ich darf ein Stück mitreisen. Der Blick in den Himmel verheißt allerdings nichts Gutes: Es braut sich was zusammen. Was ihm landschaftlich bisher am besten gefallen habe? Das könne er gar nicht so einfach beantworten, so viele schöne Abschnitte lagen auf seinem Weg. Vielleicht die Gegend um Deetz. „Wie am Amazonas war es dort zum Teil. Mit tiefhängendem Astwerk, durch das ich mein Floß manövrieren musste.“ Früher wurde hier Ton abgebaut – übriggeblieben sind unzählige wildromantische Kanäle. Unvergesslich findet er natürlich auch die Morgenstunden. Wenn der Tag und die Sonne langsam über dem frühnebelüberzogenen Wasser aufstiegen.

An Sonne ist im Moment jedoch nicht zu denken. Denn wir haben Sommer 2011 und das bedeutet: Regen. Gleich nach dem Ablegen heißt es „Land unter“. Es peitscht von rechts, links und oben. Kessler, mittlerweile eingepackt in Regenjacke und Gummistiefeln, hält die Stellung. Doch nur bis zum Plauer See. „Kessler kapituliert!“ ruft es vom Steuersitz. Drehschluss für heute. Zum Trockenen und Aufwärmen geht es ausnahmsweise ins Hotel.

Was zieht er persönlich aus seinen Expeditionen? „Für mich war der Osten Deutschlands bis dahin ein recht unbekanntes Terrain. Höchste Zeit, es mehr zu entdecken“, meint der gebürtige Hesse. Auf dem Darß und in Dresden sei er schon gewesen. Auch Bautzen, Station auf seiner Kanutour, hat ihn begeistert. Und auch das Thema Wassersport ist für ihn wieder interessant geworden. „Ich bin auf den Geschmack gekommen. Vielleicht mal wieder segeln.“ Bis dahin heißt es aber noch diese Floß-Tour zu Ende bringen, sprich vier Tage und rund 80 Kilometer die Havel entlangschippern.

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„Kesslers Expedition“: Seenland zu Gast beim TV-Floß-Abenteuer auf der Havel
By |7 Minuten Lesezeit|1406 Wörter|Veröffentlich am: 12. Mai 2021|

„Kesslers Expedition“ gehört zu den beliebtesten Sendereihen des rbb. Mittlerweile gibt es 17 Staffeln, in denen Comedian Michael Kessler mal mit dem Kanu, mal mit dem Klapprad, mal mit einem Esel durch deutsche Lande zieht. In der dritten Staffel ging es an Bord eines Floßes – ganz im Sinne von Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

In Brandenburg an der Havel ging auch Seenland-Redakteurin Christin Meißner für einen Tag an Bord der schwimmende Hütte, erfuhr wie es ist, bei Starkregen Floß zu fahren, ließ sich von Michael Kessler sein rustikal-spartanisches Reich zeigen und  begleitete ihn auf einem Rundgang durch die Wasserstadt. Ohne strikte Drehbuchvorgaben sucht er dabei, ob auf dem Wasser oder an Land, das Gespräch mit den Menschen vor Ort. Auf diese Weise erzählt er kleine regionale Geschichten und zeichnet ein Brandenburg-Bild fernab gängiger Klischees.

„Kesslers Expedition“ von Wesenberg bis Havelberg

Zwei Wochen, 286 Kilometer havelabwärts, vier Knoten und 17 Quadratmeter – das waren die Eckdaten der dritten Ausgabe von „Kesslers Expedition“. Los ging es in Wesenberg. Havelberg war das Ziel der abenteuerlichen Reise für Kapitän, Crew und Bord-Papagei Lori. Doch eigentlich hatte Kessler mit etwas anderem gerechnet. Hatte der rbb ihm nicht eine Art „Kreuzfahrt“ versprochen? Angemessen wie der Comedian fand, war er doch zuvor für den Sender schon zweimal auf recht strapaziöse Trips gegangen: Zum einen mit dem Kanu auf der Spree entlang, zum anderen mit Esel Elias auf einen 200-Kilometer-Marsch von Berlin bis nach Usedom. Doch nichts da.

Kein Luxuskreuzfahrtschiff, kein Captain’s Dinner im edlen Zwirn, kein Sonnenbaden und Cocktails schlürfen an Deck. Stattdessen: ein Motorfloß mit Namen MF „Schuhkarton“. Getauft hat Kessler es selbst. Und als er mich am Jungfernsteig in Brandenburg an der Havel an Bord bittet, wird auch klar, warum. Denn auf rund 17 Quadratmetern ist hier alles untergebracht, was man für spartanisch-rustikales Reisen braucht: Doppelstockbett, Geschirr, Gaskocher, separates Klo. Dazwischen das übliche Chaos, das auf so engem Raum zwangsläufig entsteht. Neben Kamera- und Tonmann ebenfalls immer mit an Bord: Papagei „Lori“, der über eine Papageienpartnervermittlung seinen Weg zu Kessler fand. Ein idealer Weggefährte, denn wie der Comedian beherrscht auch der buntgefiederte Vogel die Kunst der Imitation. Mal quasselt er in bayerischem Dialekt, mal ahmt er perfekt einen Handy-Klingelton nach.

Der Zufall schreibt das Drehbuch von „Kesslers Expedition“

Neun Tage sind Kessler und sein Filmteam seit ihrem Start in Wesenberg nun schon unterwegs und haben rund 200 Kilometer zurückgelegt. Ein solches Floß zu steuern, sei recht einfach, meint Kessler, dessen Bootserfahrungen sich auf einen Segelschein beschränken, den er mit 16 Jahren gemacht hat. „Das Ganze fährt sich eigentlich wie ein Auto. Nur muss man bedenken, dass hinten noch drei Meter dran sind. Vor allem beim ersten Mal Schleusen und beim Anlegen im Hafen war das anfangs recht aufregend“, erklärt der mittlerweile 55-Jährige und zeigt mir seinen Steuersitz. Manchmal hätte er sich schon ein paar mehr PS gewünscht, als die fünf, die sich hier unter der „Haube“ verstecken. Doch eigentlich sei die Geschwindigkeit von rund acht Stundenkilometern angemessen – genauso gemächlich wie das Wasser fließt.

„Ich bin ein neugieriger Mensch“, sagt Kessler über sich selbst. Eine gute Voraussetzung für ein TV-Format wie „Kesslers Expedition“, denn ein Drehbuch für die Reise existiert nicht. Zwar gibt die Havel natürlich die Route vor, wie die Tage jedoch ablaufen und welche Begegnungen stattfinden, ist vollkommen spontan und dem Zufall überlassen. „Wir haben das Konzept der ‚Berliner Nachttaxe‘ auf das Reisen übertragen. Fahren, schleusen, reden. Das ist das Drehbuch“, so Kessler. Ein einfaches wie unterhaltsames Konzept, wie sich bei einem Spaziergang durch Brandenburg an der Havel auch gleich anschaulich zeigt.

Reality-TV ja – Vorführen nein

Am Neustädter Markt spricht er mit einem freundlichen „Hallo, ich bin der Michael“ ein junges Pärchen an, das auf einer Bank die freie Zeit genießt. Erst ein paar verdutzte Gesichter wegen Kamera und Tonangel, dann aber kommt man schnell ins Gespräch. Denn Kessler geht respektvoll, interessiert und entspannt auf die Menschen zu, findet immer den richtigen Zugang und lässt Kamerascheu dadurch gar nicht erst aufkommen. Er stellt alltägliche Fragen und lässt die Menschen dann einfach erzählen. So erfährt er, dass die beiden zwar an ihrer Heimat hängen, wohl über kurz oder lang Brandenburg aber verlassen werden. Die Chancen auf einen Job seien hier einfach zu gering.

„Wir wollen kleine Geschichten erzählen. Aber ohne dabei die Menschen vorzuführen, wie es im Reality-TV häufig der Fall ist“, so Kessler später bei einem Stück Pflaumenkuchen im Café nahe dem Dom St. Peter und Paul. Gänzlich uneitel wirkt er dabei. Kein Visagist, der die Puderquaste schwingt, kein Haarstylist, der das Haupthaar richtet. Und dass, obwohl ein Drehtag schon mal von 8 bis 23 Uhr dauern kann – wohl gemerkt mit Pausen. Auch touristische Attraktionen wolle man nicht abarbeiten, sondern ein Brandenburg-Bild über die Begegnungen mit den Menschen vor Ort zeichnen. Und davon gab es bisher jede Menge.

Begegnungen auf und an der Havel

In Priepert ließ sich Kessler von einem schwäbischen Bootskapitän dessen Schiff zeigen und erfuhr, dass dieser mit seiner Frau jedes Jahr hierherkomme. Wegen dem „Wahnsinns-Wasserrevier“ und „der Ruhe und Natur“. In Himmelpfort traf er auf zwei befreundete Neuruppiner Familien, die schon seit 20 Jahren gemeinsam Bootsurlaub machen. Man lud ihn spontan zum gemeinsamen Grillen und morgens zum Frühstücken ein. Später gesellte er sich zu zwei angelnden Frauen in deren Kahn. Premiere für Kessler: Das erste Mal in seinem Leben wirft er eine Angel aus. In Zehdenick setzte er sich zu einer Gruppe Rentnerinnen, die unter der Marktplatz-Linde ihren alltäglichen Mittagsplausch abhielten. Man erzählte ihm von den Folgen der Wende, dass diese für einige Arbeitslosigkeit und Frust, für einige aber auch neue Chancen nach sich zog.

Weit mehr als das gängige Brandenburg-Klischee

Eine der schönsten Begegnungen war auch jene mit Fischerlehrling André bei Caputh. Der junge Mann fischt Sommer wie Winter traditionell mit Reusen und Netzen, genauso wie es in seiner Familie seit Generationen üblich ist. Mit ihm durfte Kessler rausfahren und beim Netzeinholen assistieren. Wirklich überraschend fand er die Offenheit und die geringen Berührungsängste der Menschen. „Keiner verlangte eine Drehgenehmigung oder rief ‚Runter vom Grundstück!‘“, meint der Wahlkölner, der darin eine typische Ost-Mentalität vermutet. „Sie lassen mich ja bereitwillig ein Stück in ihr Leben. Ich bin mir nicht sicher, ob das im Westen ebenso funktioniert hätte.“ Dem einseitigen Brandenburg-Klischee von Trostlosigkeit, Arbeitslosigkeit und Rechtenhochburg wolle man mit „Kesslers Expedition“ etwas entgegensetzen, so der Comedian später wieder zurück an Bord. „Ich find’s toll hier. Wunderschön und ursprünglich.“ Sagt’s und nimmt Platz am Steuerrad.

„Vielleicht mal wieder segeln“

Weiter geht die Fahrt. Ich darf ein Stück mitreisen. Der Blick in den Himmel verheißt allerdings nichts Gutes: Es braut sich was zusammen. Was ihm landschaftlich bisher am besten gefallen habe? Das könne er gar nicht so einfach beantworten, so viele schöne Abschnitte lagen auf seinem Weg. Vielleicht die Gegend um Deetz. „Wie am Amazonas war es dort zum Teil. Mit tiefhängendem Astwerk, durch das ich mein Floß manövrieren musste.“ Früher wurde hier Ton abgebaut – übriggeblieben sind unzählige wildromantische Kanäle. Unvergesslich findet er natürlich auch die Morgenstunden. Wenn der Tag und die Sonne langsam über dem frühnebelüberzogenen Wasser aufstiegen.

An Sonne ist im Moment jedoch nicht zu denken. Denn wir haben Sommer 2011 und das bedeutet: Regen. Gleich nach dem Ablegen heißt es „Land unter“. Es peitscht von rechts, links und oben. Kessler, mittlerweile eingepackt in Regenjacke und Gummistiefeln, hält die Stellung. Doch nur bis zum Plauer See. „Kessler kapituliert!“ ruft es vom Steuersitz. Drehschluss für heute. Zum Trockenen und Aufwärmen geht es ausnahmsweise ins Hotel.

Was zieht er persönlich aus seinen Expeditionen? „Für mich war der Osten Deutschlands bis dahin ein recht unbekanntes Terrain. Höchste Zeit, es mehr zu entdecken“, meint der gebürtige Hesse. Auf dem Darß und in Dresden sei er schon gewesen. Auch Bautzen, Station auf seiner Kanutour, hat ihn begeistert. Und auch das Thema Wassersport ist für ihn wieder interessant geworden. „Ich bin auf den Geschmack gekommen. Vielleicht mal wieder segeln.“ Bis dahin heißt es aber noch diese Floß-Tour zu Ende bringen, sprich vier Tage und rund 80 Kilometer die Havel entlangschippern.