Mit 83 noch Kapitän und Leichtmatrose

By Published On: 24. April 2008

Führerscheinfrei eine Woche unterwegs auf den Gewässern der Mecklenburgischen Seenplatte. Sonne, glasklare Luft, im Einklang mit einer einzigartigen Natur – voller Stolz und Leidenschaft erzählt Waltraut Volz von ihrem jüngsten Sommer-Abenteuer als Seniorin auf dem Hausboot.

Eine Woche mit einem kleinen Hausboot über die Mecklenburgische Seenplatte dahin gleiten, das hatte sie sich schon eine Weile gewünscht. Im August 2007 wurde ihre Seensucht gestillt. Gemeinsam mit ihrer ein Jahr älteren Freundin und Nachbarin Helga Nack nahm die 83-Jährige das Ruder selbst in die Hand und entdeckte Deutschlands größtes zusammenhängendes Wasserrevier von seinen schönsten Seiten.

Führerscheinfrei als Seniorin auf dem Hausboot durch das Seenland

Angefangen hatte alles vor einigen Jahren in Irland, wo die Lübeckerin ihre ersten Erfahrungen mit der Seefahrt machte. „Gemeinsam mit drei Freundinnen fuhr ich den Shannon, Irlands längsten Fluss, hinauf nach Norden. Und das war einfach nur herrlich“, schwärmt die Lübeckerin mit einem jugendlich anmutenden Lächeln. „Wir durchquerten mehrere große Seen – und genossen es, wenn uns die Irländer freundlich grüßten“. „Oh, the four girls“, riefen die Männer den Mittsiebzigerinnen mehrmals vom Bootssteg entgegen. „Für mich war es eine besonders schöne Erfahrung, selbst am Steuer zu stehen und den Kurs zu bestimmen“, sagt die handwerklich begabte Architektin im Ruhestand. „Und außerdem brauchte man gar keinen Bootsführerschein!“

Dass das auch in Deutschland und noch dazu im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern möglich ist, erfuhr die Seniorin eher zufällig. „Da dachte ich mir, das wäre doch toll, die Müritz und die Mecklenburgische Seenplatte auch mal vom Boot aus zu entdecken.“ Aber allein? Das wollte sie nicht. Mit Freundin und Nachbarin Helga gemeinsam – das würde bestimmt Spaß machen. „Helga hatte noch keine Erfahrungen in der Seefahrt, und da musste ich sie schon ein bisschen länger überzeugen“, gibt sie rückblickend zu.

Beide machten sich zunächst mit dem Auto auf nach Mecklenburg, um sich die Hausboote am südlichen Ufer der Müritz anzuschauen. „Die gefielen uns gleich: Klein und leicht zu lenken, mit bescheidenem Komfort und optimal ausgerüstet für unsere gemeinsame Jungfernfahrt in der Seenplatte.“ „Richtig kuschelig“, ergänzt Helga, „oft mussten wir uns auf unserer Fahrt aber auch Bauch an Bauch oder Rücken an Rücken aneinander vorbei schieben. Der Helmut Kohl hätte da wohl nicht zu zweit sein können …“

Als Seniorin auf dem Hausboot in der Mecklenburgische Seenplatte© Magazin Seenland

Waltraut Volz und Helga Nack vor der Voyager im Bolter Kanal

Urlaub wie ein Jungbrunnen

Dann wurde im Sommer des vergangenen Jahres eine „Voyager 860“ für eine Woche gechartert – ein Hausboot, das im benachbarten Rechlin gebaut wird und mit einem umweltfreundlichen und flüsterleisen Antrieb ausgerüstet ist. Die beiden Abenteuerinnen starteten ihr anspruchsvolles Programm: Vom Südufer der Müritz schipperten sie über den Müritzarm und den Müritzsee, später über zahlreiche „blaue Perlen“ der Kleinseenplatte und die Müritz-Havel-Wasserstraße bis ins brandenburgische Rheinsberg und zurück bis zum Bolter Kanal an der südlichen Müritz. „Man kann gar nicht beschreiben, wie viel wir gelacht haben in diesen Tagen. Das war wie ein richtiger Jungbrunnen“, schwärmt die Bootsführerin. „Wir haben die Menschen und die Natur genossen, jeder Tag war vom Aufstehen bis zum Sonnenuntergang etwas ganz Besonderes und mit viel Abwechslung verbunden“, resümiert ihre Begleiterin.

Einmal gerieten die beiden Landratten aber auch in Seenot. „Es war am Wochenende, morgens gegen acht, in der Nähe einiger Bootshäuser, die es ja in der Gegend noch viele gibt. Als wir los fuhren, tuckerte der Motor nur, und nach zehn Metern war Schluss. Wir konnten das Boot nicht mehr manövrieren, und die Strömung trieb uns langsam, aber sicher auf eine Schleuse zu.“ Was also tun? Um Hilfe rufen und die Schlafenden in ihrer morgendlichen Ruhe stören?

„Als wir das Boot in Empfang nahmen, haben wir uns über die eigenartige ‚Nothupe‘ an der Wand noch lustig gemacht“, erinnert sich Waltraut Volz. „In diesem Moment habe ich aber ohne viel Zögern nach Leibeskräften dort hinein gepustet, damit jemand auf uns aufmerksam wird und hilft.“

Auf dem Wasser hilft man sich

Die beiden hatten Glück. „Ein junger Mann kam mit seinem Boot, das einen kleinen Außenbordmotor hatte, nahm uns an die Leine und zottelte uns und unsere ‚Woterpütz‘ in Sicherheit. Es waren wohl höchstens noch zehn bis 15 Meter bis zum Wehr, und aus eigener Kraft hätten wir es sicher nicht geschafft, uns wieder in Sicherheit zu bringen.“

Waltraut und Helga sind seit fünf Jahren Nachbarinnen und Freundinnen, erkunden mit dem gemeinsamen Auto Land und Leute. Die Erlebnisse ihrer abenteuerlichen Wochentour in der Mecklenburgischen Seenplatte möchten die beiden Lübeckerinnen auch in der Rückschau nicht missen. In einem kleinen Album sind die schönsten Momente fotografisch zusammengefasst und die Route beschrieben. „Das war schließlich unser erstes gemeinsames Abenteuer auf See, und ich bin mächtig stolz auf die Helga“, sagt Kapitän Waltraut. Deshalb erhielt die Freundin nach bestandener Seefahrt auch eine liebevoll gestaltete Urkunde „für vorbildliche Leistungen an Ruder, Leinen und Bootshaken“ und wurde zum „Leichtmatrosen“ ernannt.

Dieser Text stammt aus dem Magazin Seenland und erschien erstmalig im Jahr 2008.

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Mit 83 noch Kapitän und Leichtmatrose
By |4,4 min read|875 words|Published On: 24. April 2008|

Führerscheinfrei eine Woche unterwegs auf den Gewässern der Mecklenburgischen Seenplatte. Sonne, glasklare Luft, im Einklang mit einer einzigartigen Natur – voller Stolz und Leidenschaft erzählt Waltraut Volz von ihrem jüngsten Sommer-Abenteuer als Seniorin auf dem Hausboot.

Eine Woche mit einem kleinen Hausboot über die Mecklenburgische Seenplatte dahin gleiten, das hatte sie sich schon eine Weile gewünscht. Im August 2007 wurde ihre Seensucht gestillt. Gemeinsam mit ihrer ein Jahr älteren Freundin und Nachbarin Helga Nack nahm die 83-Jährige das Ruder selbst in die Hand und entdeckte Deutschlands größtes zusammenhängendes Wasserrevier von seinen schönsten Seiten.

Führerscheinfrei als Seniorin auf dem Hausboot durch das Seenland

Angefangen hatte alles vor einigen Jahren in Irland, wo die Lübeckerin ihre ersten Erfahrungen mit der Seefahrt machte. „Gemeinsam mit drei Freundinnen fuhr ich den Shannon, Irlands längsten Fluss, hinauf nach Norden. Und das war einfach nur herrlich“, schwärmt die Lübeckerin mit einem jugendlich anmutenden Lächeln. „Wir durchquerten mehrere große Seen – und genossen es, wenn uns die Irländer freundlich grüßten“. „Oh, the four girls“, riefen die Männer den Mittsiebzigerinnen mehrmals vom Bootssteg entgegen. „Für mich war es eine besonders schöne Erfahrung, selbst am Steuer zu stehen und den Kurs zu bestimmen“, sagt die handwerklich begabte Architektin im Ruhestand. „Und außerdem brauchte man gar keinen Bootsführerschein!“

Dass das auch in Deutschland und noch dazu im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern möglich ist, erfuhr die Seniorin eher zufällig. „Da dachte ich mir, das wäre doch toll, die Müritz und die Mecklenburgische Seenplatte auch mal vom Boot aus zu entdecken.“ Aber allein? Das wollte sie nicht. Mit Freundin und Nachbarin Helga gemeinsam – das würde bestimmt Spaß machen. „Helga hatte noch keine Erfahrungen in der Seefahrt, und da musste ich sie schon ein bisschen länger überzeugen“, gibt sie rückblickend zu.

Beide machten sich zunächst mit dem Auto auf nach Mecklenburg, um sich die Hausboote am südlichen Ufer der Müritz anzuschauen. „Die gefielen uns gleich: Klein und leicht zu lenken, mit bescheidenem Komfort und optimal ausgerüstet für unsere gemeinsame Jungfernfahrt in der Seenplatte.“ „Richtig kuschelig“, ergänzt Helga, „oft mussten wir uns auf unserer Fahrt aber auch Bauch an Bauch oder Rücken an Rücken aneinander vorbei schieben. Der Helmut Kohl hätte da wohl nicht zu zweit sein können …“

Als Seniorin auf dem Hausboot in der Mecklenburgische Seenplatte© Magazin Seenland

Waltraut Volz und Helga Nack vor der Voyager im Bolter Kanal

Urlaub wie ein Jungbrunnen

Dann wurde im Sommer des vergangenen Jahres eine „Voyager 860“ für eine Woche gechartert – ein Hausboot, das im benachbarten Rechlin gebaut wird und mit einem umweltfreundlichen und flüsterleisen Antrieb ausgerüstet ist. Die beiden Abenteuerinnen starteten ihr anspruchsvolles Programm: Vom Südufer der Müritz schipperten sie über den Müritzarm und den Müritzsee, später über zahlreiche „blaue Perlen“ der Kleinseenplatte und die Müritz-Havel-Wasserstraße bis ins brandenburgische Rheinsberg und zurück bis zum Bolter Kanal an der südlichen Müritz. „Man kann gar nicht beschreiben, wie viel wir gelacht haben in diesen Tagen. Das war wie ein richtiger Jungbrunnen“, schwärmt die Bootsführerin. „Wir haben die Menschen und die Natur genossen, jeder Tag war vom Aufstehen bis zum Sonnenuntergang etwas ganz Besonderes und mit viel Abwechslung verbunden“, resümiert ihre Begleiterin.

Einmal gerieten die beiden Landratten aber auch in Seenot. „Es war am Wochenende, morgens gegen acht, in der Nähe einiger Bootshäuser, die es ja in der Gegend noch viele gibt. Als wir los fuhren, tuckerte der Motor nur, und nach zehn Metern war Schluss. Wir konnten das Boot nicht mehr manövrieren, und die Strömung trieb uns langsam, aber sicher auf eine Schleuse zu.“ Was also tun? Um Hilfe rufen und die Schlafenden in ihrer morgendlichen Ruhe stören?

„Als wir das Boot in Empfang nahmen, haben wir uns über die eigenartige ‚Nothupe‘ an der Wand noch lustig gemacht“, erinnert sich Waltraut Volz. „In diesem Moment habe ich aber ohne viel Zögern nach Leibeskräften dort hinein gepustet, damit jemand auf uns aufmerksam wird und hilft.“

Auf dem Wasser hilft man sich

Die beiden hatten Glück. „Ein junger Mann kam mit seinem Boot, das einen kleinen Außenbordmotor hatte, nahm uns an die Leine und zottelte uns und unsere ‚Woterpütz‘ in Sicherheit. Es waren wohl höchstens noch zehn bis 15 Meter bis zum Wehr, und aus eigener Kraft hätten wir es sicher nicht geschafft, uns wieder in Sicherheit zu bringen.“

Waltraut und Helga sind seit fünf Jahren Nachbarinnen und Freundinnen, erkunden mit dem gemeinsamen Auto Land und Leute. Die Erlebnisse ihrer abenteuerlichen Wochentour in der Mecklenburgischen Seenplatte möchten die beiden Lübeckerinnen auch in der Rückschau nicht missen. In einem kleinen Album sind die schönsten Momente fotografisch zusammengefasst und die Route beschrieben. „Das war schließlich unser erstes gemeinsames Abenteuer auf See, und ich bin mächtig stolz auf die Helga“, sagt Kapitän Waltraut. Deshalb erhielt die Freundin nach bestandener Seefahrt auch eine liebevoll gestaltete Urkunde „für vorbildliche Leistungen an Ruder, Leinen und Bootshaken“ und wurde zum „Leichtmatrosen“ ernannt.

Dieser Text stammt aus dem Magazin Seenland und erschien erstmalig im Jahr 2008.

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