Mit dem Floß durch die Seenplatte
7 Tage: Kleinzerlang – Großer Pälitzsee – Ellbogensee – Ziernsee – Menowsee – Röblinsee – Stolpsee – Woblitz – Großer Lychensee – Kleinzerlang
Die Herbstferien beginnen in diesem Jahr spät. Es ist schon Mitte Oktober, als wir nach Kleinzerlang bei Rheinsberg aufbrechen. Unser Plan für die nächsten sieben Tage: Mit einem Floß die Seenplatte erkunden. In der Marina Wolfsbruch hat die Firma „Hausboot Rheinsberg“ ihre Startbasis und hier wartet auch schon René auf uns. Er hat mit seiner Mannschaft die „Arielle“ für uns herausgeputzt. Ein ganz neues Abenteuer steht uns bevor, denn die Flöße von Mirko Föst – Gründer und Geschäftsführer von „Hausboot Rheinsberg“ – sind werftneu und in ihrer Bauweise einzigartig in der Mecklenburgischen Seenplatte.
Ferienhaus mit Seeblick
Im Prinzip ist die „Arielle“ ein schwimmendes Ferienhaus mit großer Terrasse. Der riesige Salon entspricht einer modernen Wohnküche. Alle Räume verfügen über einen Warmwasserradiator, der mit einer Gastherme betrieben wird. Zusammen mit der vollständigen Isolierung und der Thermoverglasung sorgen sie für ein wohliges Wohnklima, das uns den Aufenthalt an Bord sehr angenehm macht, auch wenn es draußen bereits sehr frisch ist.
Bevor die Reise losgehen kann, steht die Unterweisung ins Schiff an. René zeigt uns alle Details und wir unternehmen eine Probefahrt zum nahen Pälitzsee. Dabei zeigt sich: Mit ihrer Länge von knapp 17 Metern und ihrer Breite von 4,80 Metern hat das Floß schon eine andere Dimension als die Hausboote und Motoryachten, mit denen wir bisher in der Seenplatte waren. Angetrieben wird sie von einem 15 PS-Außenborder am Heck. Zur Navigation auf engstem Raum stehen Bug- und Heckstrahlruder zur Verfügung. Diese Konstellation bedarf einiger Gewöhnung. Manöver müssen mit Bedacht und rechtzeitig ausgeführt werden. Und auch der Wind spielt eine Rolle, denn die recht hohen Aufbauten eines schwimmenden Bungalows und der für ein Katamaranfloß typische geringe Tiefgang bilden ein windanfälliges System.
In der Marina Wolfsbruch herrscht am heutigen Nachmittag jedoch nahezu Windstille, sodass wir uns unter Renés Anleitung problemlos aus dem Hafen und wieder hinein navigieren können. Wieder einmal bewahrheitet sich eine alte Schiffsführerweisheit: „Seemann mach langsam, es ist eilig!“
Den Abend verbringen wir im Hafen der Marina Wolfsbruch. Auf der überdachten Piazza spielt ein Alleinunterhalter zum Tanz auf und wir lassen uns frische Pizzen aus dem Steinofen schmecken. Gesättigt und beschwingt kehren wir später zum Hausboot zurück. Doch wir wählen nicht den direkten Weg, sondern unternehmen eine kleine Nachtwanderung durch die Wiesen hinter der Ferienanlage. Schnell verblassen die Lichter und wir tauchen in eine für uns Städter ungewohnte Dunkelheit ein. Je dunkler es wird, desto mehr Sterne gehen auf, und schließlich entdecken wir den nebligen Schleier der Milchstraße am Himmel. Eine wunderbare Ruhe macht sich breit – es ist Urlaub.
Gemächlich mit dem Floß durch die Seenplatte
Wir lassen es ruhig angehen. Drei Erwachsene und drei Kinder gehören zu unserer Mannschaft und alle hatten eine erste ruhige Nacht an Bord. Jetzt blubbert das Wasser in der Kaffeemaschine, die Kinder decken den Tisch und der Duft von Rührei und frischen Brötchen macht sind im Schiff breit. Gegen 12 Uhr legen wir schließlich ab. Unser Reiseziel ist Lychen. Somit fahren wir zu Berg und halten uns nach der Ausfahrt aus dem Hafenbecken rechts. Man muss sich erst einmal an das geringe Reisetempo gewöhnen: Die Ausfahrt auf den Hüttenkanal gelingt beispielsweise nur, wenn man ganz langsam hinaustreibt, aufstoppt und sich auf der Stelle im Uhrzeigersinn dreht. Erst wenn der neue Kurs anliegt, gibt man wieder Fahrt voraus.
Da sich ein Schiff immer um seinen Schwerpunkt in der Mitte dreht, gilt es zu bedenken, dass jede Drehung nach Steuerbord – also nach rechts mit dem Bug – eine Drehung nach Backbord – also nach links in dem Heck – mit sich bringt. Dies ist grundlegend anders als beim Steuern an Land und für Neulinge auf dem Wasser die häufigste Ursache für Kollisionen.
Bei der „Arielle“ befindet sich der Steuerstand fast ganz vorn auf dem Schiff und ich muss mich erst einmal daran gewöhnen, dass die Bewegung der etwa zwei Meter vor mir eine Bewegung der 15 Meter hinter mir implizieren. Aber als Crew meistern wir dieses erste Manöver problemlos und machen auch gleich schon wieder fest. Denn vor uns liegt die Schleuse Wolfsbruch und zwischen dieser und uns befinden sich bereits zehn Boote in Warteposition.
Schleusung ohne Boote
Jetzt heißt es Geduld. Aber wir haben ja Urlaub und eigentlich ist auch schon wieder Mittagszeit. Also wird das Warten zum Kochen genutzt und wir rücken Stück für Stück mit der Schlange vor. Drei Hausboote können je Schleusenvorgang bergauf transportiert werden. Die nächste Schleusung ist unsere. Die Talschleusung läuft, die Tore öffnen, die Boote fahren aus – aber unser Signal schaltet nicht auf Grün. Wir verharren in Warteposition, die Tore schließen sich wieder und die Schleusenkammer füllt sich mit Wasser – ohne Boote. Was ist geschehen?
Wir nutzen die neu gewonnene Wartezeit zum Landgang und tauschen uns mit den beiden vor uns liegenden Booten aus. Die Ursache für das wunderliche Verhalten der Automatikschleuse ist schnell erkannt: Ganz vorn an jeder Wartestelle einer Automatikschleuse befinden sich zwei Hebel. Ein roter, der ausschließlich bei akuter Gefahr gedreht werden darf, und ein grüner, mit dem durch Drehung die Schleusung angefordert wird. Jeder Schiffsführer, der die Poleposition in der Warteschlage einnimmt, muss diesen grünen Hebel bedienen. Andernfalls „weiß“ die Schleuse nicht, dass hier ein Schiff auf den Transport wartet. Da das Versäumnis nun erkannt ist, können wir es auch einfach lösen. Hebel fix gedreht – und das Display bestätigt, dass wir bei der nächsten Bergschleusung dabei sind.
Ankern, wo es einem gefällt
Das Ziel des heutigen Tages ist der Menowsee. Er wird von unserer geplanten Route gestreift und liegt doch abseits des Fahrwassers. Zudem ist er von Bäumen umgeben und recht klein und somit ein idealer Platz zum Ankern. Sobald wir das Gewässer erreichen, biegen wir steuerbords vom Fahrwasser ab. Wir orientieren uns mit sehr langsamer Fahrt in der Bucht. Den Kurs setzen wir senkrecht zum Ufer und ein Crewmitglied steht am Bug und hält ins Wasser Ausschau. Das Floßboot „Arielle“ treibt nun schon recht nah unter Land und wir stoppen die Fahrt auf. Jetzt ist es wichtig, genügend Abstand zum sensiblen Ökosystem des Uferbereichs, zu Seerosen und Schilfgürtel zu halten. Zugleich sollte man nah genug am Ufer sein, sodass das Wasser nicht zu tief ist. Unser Anker ist mit einer Leine am Boot befestigt. Die Wassertiefe darf also nicht mehr als die fünffache Länge der verfügbaren Ankerleine sein. Bei einer Ankerkette genügt auch die dreifache Länge.
Schließlich ist der perfekte Platz erreicht. Wir prüfen nochmals den festen Sitz der Ankerleine an beiden Enden, sonst rauscht diese gleich mit dem Anker in den See, und lassen diesen sodann zu Grunde. Mit sanfter Fahrt achteraus werden die Flunken in den Grund gezogen, die Leine kommt straff, wir liegen sicher, schalten den Motor aus und sogleich umhüllt uns eine einzigartige Stille. Wir fühlen uns eins mit der Natur und bewohnen zugleich ein komfortables Feriendomizil mit unverbaubarem Seeblick und Sonnenterrasse in erster Reihe – wunderbar.
Während die Kinder draußen mit dem Kescher imaginäre Fische in der Abenddämmerung angeln, wird drinnen der Tisch für eine zünftige Brotzeit gedeckt. Als alle satt sind, klingt der Tag bei mehreren Partien UNO aus. Dann fallen wir selig in unsere Kojen.
Auf dem Floß stets die Seenplatte im Blick
Den nächsten Tag beginnen wir mit einem ausgiebigen Frühstück. Dazu gibt es wärmende Herbstsonne und einen wunderschönen Ausblick. Denn der Salon der „Arielle“ ist größtenteils bodentief verglast, was ein herrliches Panorama aus weiter Wasserfläche und buntgefärbtem Uferwald eröffnet. Zwei Schleusen stehen heute auf dem Plan; dazu statt Seen-Hopping eine längere Strecke auf der Havel, das sich durch Buchenwald, Kiefernschonungen und Wiesen schlängelt.
Der Wasserweg wird kurviger, hier und da treffen wir auf Gegenverkehr. Da heißt es Obacht: Einerseits sind 4,80 Meter schon eine stattliche Breite, was wir immer dann merken, wenn wir den Fahrweg frei machen. Andererseits ist ein 15 PS-Antrieb für solch ein großes Gefährt recht wenig. Schnelle Reaktionen sind somit ausgeschlossen. So ähnlich stelle ich mir das Navigieren eines Kreuzfahrtschiffes im Warnemünder Hafen vor – wenn ein Kurs anliegt, dann ist dieser erst einmal gesetzt.
Kurs Richtung Fürstenberg/Havel
Wir passen unser Fahrtempo an und schieben gemächlich und sicher durch das Wasser. So liegt schon bald die Schleuse Steinhavelmühle voraus. Es ist unsere zweite Schleusung; eines haben wir aber schon gelernt: Unser Schiff passt hinein – auch wenn es beim Anfahren anders erscheint. Viel Luft bleibt tatsächlich nicht an beiden Seiten zwischen Schiffskörper und Schleusenwand. Aber wir sind sicher mit Fendern geschützt. Kurze Stöße mit Bug- und Heckstrahlruder ermöglichen beim Hineingleiten die erforderlichen Kurskorrekturen. Mit Leinen wird die „Arielle“ gesichert – je Leine führt ein Crewmitglied diese fest in der Hand. Während es in Wolfsbruch noch bergauf ging, schleusen wir jetzt bergab. Das Wasser hat offensichtlich zwischendurch und von uns ganz unbemerkt seine Fließrichtung geändert. Schon bald setzen wir die Fahrt fort, überqueren den Röblinsee und gelangen schließlich zur Fürstenberger Schleuse.
Hier erwartet uns ein bekanntes Muster: Schleuse in Selbstbedienung. Dafür hat die Schleusenkammer ganz ungeahnte Dimensionen. Wir fahren ein und es erscheint uns, als könnten selbst wir in der Schleuse noch wenden. Das tun wir natürlich nicht, sondern legen backbords an, vergewissern uns, dass alle anderen wartenden Boote auch sicher eingelaufen sind, und drehen schließlich den grünen Hebel. Die Schleusung beginnt.
Bereits um 16 Uhr erreichen wir unser Tagesziel – den Stadtanleger von Fürstenberg/Havel. Den zuständigen Hafenmeister finden wir im nahegelegenen Yachtclub. Von ihm lassen wir uns auch beraten, bei welchem Bäcker es im Ort den besten Kuchen gibt – es ist Kaffeezeit.
Kein „Vollgas“ mehr…
Mit der „Arielle“ benötigen wir keinen Landstrom. Das ist recht praktisch – spart es doch das übliche Verlegen der Anschlusskabel und das damit verbundene Aktivieren des Stroms. Solarpaneele auf dem Dach speisen das Batteriepaket im Rumpf. Und obwohl die Sonnenscheindauer jetzt im Oktober schon sehr gering und häufig von Wolken getrübt ist, steht uns die gesamte Fahrt über die volle Leistung zur Verfügung.
Allerdings geht etwas anderes zur Neige. Davon ahnen wir jedoch noch nichts, als wir den Fürstenberger Hafen am nächsten Morgen verlassen. Während der Fahrt über den Stolpsee soll das Mittagessen bereitet werden. Doch es scheint, die Kartoffeln kommen nicht zum Kochen. Dabei war der Gasherd doch gerade noch an, oder? Ja, genau, er war. Aber nun ist das Gas alle. Heißt: Ohne Gas an Bord gibt es auch kein warmes Wasser und keine Heizung. Im Oktober nicht unbedingt ein Vergnügen… Wir sind also zum Handeln gezwungen, denn leider verfügt unser Boot über keine Reserveflasche.
In Himmelpfort legen wir daher längsseits am Wasserwanderrastplatz an und entrichten die Liegegebühr per Kuvert in die Kasse des Vertrauens. In der Touristinfo erhoffen wir uns Hilfe in Sachen Gasengpass. Doch eine 11 Kilo-Gasflasche gibt es in Himmelpfort nicht. Und mehrere Telefonate mit passenden Kontakten in Lychen – unserem heutigen Etappenziel – stellen klar: Auch dort ist kein Gas vor Ort. Die einzige Lösung: Mit dem Taxi zur Tankstelle nach Fürstenberg/Havel. Geplant, getan. Neben der Schleuse Himmelpfort befindet sich zum Glück eine große Wiese mit Kinderspielplatz – somit ist auch für den Rest der Crew während dieses kurzen Intermezzos gesorgt.
Ein Sturm zieht auf
Später als geplant, aber mit „Vollgas“, erreichen wir schließlich den Zielhafen in Lychen. Es dämmert schon als wir die „Arielle“ sicher am Steg anbinden. Zumindest sicher genug für normale Witterungsverhältnisse. Doch es ist Herbst und über Nacht zieht ein Sturm auf. Wir merken, wie der Wind an den Aufbauten zerrt. Auch am Morgen windet es weiterhin sehr. An ein Auslaufen ist nicht zu denken, denn wir würden wie ein Korken auf dem Wasser treiben. Daher gehen wir auf Entdeckungstour durch Lychen: eine alte Wassermühle, zwei Spielplätze, eine urige Stadtmauer und sechs Seen. Es lohnt sich.
Da wir in der Nebensaison unterwegs sind, bietet der Hafen viel Platz. Für die kommende Nacht nutzen wir diesen vollends aus. Um ruhiger zu liegen, verholen wir das Schiff längsseits und nehmen so den Raum ein, der sonst vier Schiffen zur Verfügung stünde. Mit Vor- und Achterleine und der jeweils korrespondierenden Spring macht der Wind uns nun nichts mehr aus.
Der Sturm geht – der Regen kommt
Am Morgen erscheint die Welt vollständig verändert. Spiegelglatt liegt der See vor uns. Dafür ist die Luft sehr feucht, sodass der Regen einen dünnen Schleier bildet. In passender Outdoorkluft trete ich den Fußmarsch zum Stadtbäcker an. Neben den Frühstücksbrötchen decke ich uns auch mit einer kleinen Kuchenauswahl für den Tag ein – heute benötigen wir mit Sicherheit etwas für die Seele.
Gestärkt mit Rührei, Speck und Brötchen laufen wir aus. Da der Wind abgeflaut hat, können wir die Markise herauskurbeln – sie dient uns heute als Regendach am Steuerstand. Schnell verfliegt der anfängliche Missmut über das Wetter: Die Fahrt durch windstillen Regen über den ruhigen See entwickelt für uns ihren ganz eigenen Reiz. Ein Pott mit heißem Kaffee gleicht die fehlende Wärme aus.
Schon bald sind wir wieder auf der Woblitz. Obwohl unsere Fahrt im Herbst uns ohnehin den Vorteil beschert, dass recht wenig Boote unterwegs sind, reduziert das heutige Regenwetter die Zahl der Schiffe nochmals stark. Und dies ist nun wahrhaft ein Luxus: Allein auf der Woblitz durch den Wald zu mäandern, ganz still, ganz langsam, ganz bei uns.
Den Kindern wird an Bord nie langweilig. Ihre liebste Beschäftigung: Sie werfen von der Sonnenterrasse die Leinen aus und holen diese wie virtuelle Angeln wieder ein. Bei der Fahrt unter einer Brücke versuchen sie die Träger zu treffen und mit der Pütz holen sie Wasser an Bord und bearbeiten die Planken mit dem Feudel. Der Außenborder ist am Heck weit weg – das gibt mir das sichere Gefühl, dass kein Seil in den Propeller geraten kann. Zur Sicherheit ist natürlich ein Ende der Leinen immer an einer Klampe befestigt.
Wir haben keine Eile
So schippern wir dahin durch die Stille, in die der Regenschleier die ganze Welt hüllt. In einer Bucht des Stolpsees werfen wir Anker – der Kuchen kommt auf den Tisch!
Mit der „Arielle“ sind wir autark. Allein Frisch- und Abwasser müssen regelmäßig aufgefüllt beziehungsweise geleert werden. Am Stadtanleger von Fürstenberg/Havel finden wir die nächste Station für diese Aufgabe. Für die reibungslose Umsetzung haben wir uns angewöhnt, das Wechselgeld vom Einkauf beiseite zu legen. In jedem Hafen ist es unterschiedlich: Mal benötigt man 50 Cent- Stücke, mal 1- oder 2-Euro-Münzen für Duschen, Strom, Toiletten, Frischwasser und Abwasser. In jedem Fall ist Kleingeld wichtig und liegt als Bordkasse für diese Zwecke in einer Schale auf dem Tresen bereit.
Schleuse Fürstenberg und Schwedtsee liegen hinter uns, als am Abend sogar noch die Wolkendecke aufreißt. Die goldene Oktobersonne funkelt durch die feuchten Blätter der Buchen, als wir uns der Schleuse Steinhavelmühle nähern. Ob wir diese noch passieren können? Wir haben Glück: Die Tore stehen gerade offen und der Schleusenwärter schaltet das Lichtsignal auf Grün und winkt uns zur letzten Schleusung des Tages heran. Wir sind das einzige Schiff und sollen direkt nach der Einfahrt ganz hinten in der Kammer verweilen. Den Grund für diese Weisung erkennen wir schnell. Diese Schleuse läuft noch in Handbedienung. Der Schleusenwärter öffnet nun alle Schotten und brodelnd und strudelnd schießt das Wasser hinein. In Windeseile geht es bergan und schon wenige Minuten später öffnet sich das Obertor.
Kurz danach legt sich dann die Dämmerung über die Havel. Heute kommen wir nicht mehr weiter. Am Ende der Sportbootwartestelle machen wir fest. Sollte schon früh ein anderes Boot zur Schleusung eintreffen, stören wir hier nicht.
Finale mit Räucherfisch
Zum Heimathafen in der Marina Wolfsbruch sind es nur noch 20 Kilometer, für unseren letzten Tag unter Fahrt eine gute Strecke. Mittagsrast halten wir vor der Schleuse Strasen. Die Forellenzucht von Herrn Kruse ist direkt nebenan und es gibt leckere Fischbrötchen auf die Hand. Zwei Schleusen weiter befinden wir uns schließlich auf dem Hüttenkanal. Aufstoppen, Steuer hart Backbord einschlagen und schon sind wir zurück am Ausgangspunkt unserer Reise. Bevor wir am nächsten Morgen von Bord gehen, lassen wir das Schiff noch für die nächste Fahrt klarmachen: Kraftstoff tanken, Abwasser entsorgen und Frischwasser bunkern. Eine vielfältige Herbstwoche geht zu Ende. Dank der Zentralheizung und der guten Isolierung war es an Bord allzeit warm und gemütlich. Aus der Sicht eines traditionellen Charterboots haben wir gar nicht so viel Strecke zurückgelegt. Für diesen Bootstyp jedoch waren wir gut unterwegs. Für das nächste Mal nehmen wir uns vor, weniger zu fahren und mehr Badestopps einzulegen. Wir kommen wieder – im Sommer.
Einfach zur perfekten Reiseroute
Hafenportraits mit Plan: Müritz | Havel | Seenplatte | Berlin | Brandenburg
Eine Bootstour von der Kleinen Müritz nach Neustrelitz
Strecke: Rechlin – Mirow – Rheinsberg – Flecken Zechlin – Neustrelitz – Priepert – retour nach Rechlin Den ausführlichen [...]
Ein Hausboot-Wochenende im Dahme-Seenland
Strecke: Niederlehme – Krimnicksee – Wolziger See – Philadelphia – Großer Storkower See – retour nach Niederlehme Den ausführlichen Tourbericht [...]
Ein Hausboot-Wochenende in der Seenplatte
Strecke: Marina Wolfsbruch – Stadthafen Rheinsberg – Hafendorf Rheinsberg – Großer Prebelowsee – Wesenberg – Neustrelitz – retour zur Marina [...]
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Die Herbstferien beginnen in diesem Jahr spät. Es ist schon Mitte Oktober, als wir nach Kleinzerlang bei Rheinsberg aufbrechen. Unser Plan für die nächsten sieben Tage: Mit einem Floß die Seenplatte erkunden. In der Marina Wolfsbruch hat die Firma „Hausboot Rheinsberg“ ihre Startbasis und hier wartet auch schon René auf uns. Er hat mit seiner Mannschaft die „Arielle“ für uns herausgeputzt. Ein ganz neues Abenteuer steht uns bevor, denn die Flöße von Mirko Föst – Gründer und Geschäftsführer von „Hausboot Rheinsberg“ – sind werftneu und in ihrer Bauweise einzigartig in der Mecklenburgischen Seenplatte.
Ferienhaus mit Seeblick
Im Prinzip ist die „Arielle“ ein schwimmendes Ferienhaus mit großer Terrasse. Der riesige Salon entspricht einer modernen Wohnküche. Alle Räume verfügen über einen Warmwasserradiator, der mit einer Gastherme betrieben wird. Zusammen mit der vollständigen Isolierung und der Thermoverglasung sorgen sie für ein wohliges Wohnklima, das uns den Aufenthalt an Bord sehr angenehm macht, auch wenn es draußen bereits sehr frisch ist.
Bevor die Reise losgehen kann, steht die Unterweisung ins Schiff an. René zeigt uns alle Details und wir unternehmen eine Probefahrt zum nahen Pälitzsee. Dabei zeigt sich: Mit ihrer Länge von knapp 17 Metern und ihrer Breite von 4,80 Metern hat das Floß schon eine andere Dimension als die Hausboote und Motoryachten, mit denen wir bisher in der Seenplatte waren. Angetrieben wird sie von einem 15 PS-Außenborder am Heck. Zur Navigation auf engstem Raum stehen Bug- und Heckstrahlruder zur Verfügung. Diese Konstellation bedarf einiger Gewöhnung. Manöver müssen mit Bedacht und rechtzeitig ausgeführt werden. Und auch der Wind spielt eine Rolle, denn die recht hohen Aufbauten eines schwimmenden Bungalows und der für ein Katamaranfloß typische geringe Tiefgang bilden ein windanfälliges System.
In der Marina Wolfsbruch herrscht am heutigen Nachmittag jedoch nahezu Windstille, sodass wir uns unter Renés Anleitung problemlos aus dem Hafen und wieder hinein navigieren können. Wieder einmal bewahrheitet sich eine alte Schiffsführerweisheit: „Seemann mach langsam, es ist eilig!“
Den Abend verbringen wir im Hafen der Marina Wolfsbruch. Auf der überdachten Piazza spielt ein Alleinunterhalter zum Tanz auf und wir lassen uns frische Pizzen aus dem Steinofen schmecken. Gesättigt und beschwingt kehren wir später zum Hausboot zurück. Doch wir wählen nicht den direkten Weg, sondern unternehmen eine kleine Nachtwanderung durch die Wiesen hinter der Ferienanlage. Schnell verblassen die Lichter und wir tauchen in eine für uns Städter ungewohnte Dunkelheit ein. Je dunkler es wird, desto mehr Sterne gehen auf, und schließlich entdecken wir den nebligen Schleier der Milchstraße am Himmel. Eine wunderbare Ruhe macht sich breit – es ist Urlaub.
Gemächlich mit dem Floß durch die Seenplatte
Wir lassen es ruhig angehen. Drei Erwachsene und drei Kinder gehören zu unserer Mannschaft und alle hatten eine erste ruhige Nacht an Bord. Jetzt blubbert das Wasser in der Kaffeemaschine, die Kinder decken den Tisch und der Duft von Rührei und frischen Brötchen macht sind im Schiff breit. Gegen 12 Uhr legen wir schließlich ab. Unser Reiseziel ist Lychen. Somit fahren wir zu Berg und halten uns nach der Ausfahrt aus dem Hafenbecken rechts. Man muss sich erst einmal an das geringe Reisetempo gewöhnen: Die Ausfahrt auf den Hüttenkanal gelingt beispielsweise nur, wenn man ganz langsam hinaustreibt, aufstoppt und sich auf der Stelle im Uhrzeigersinn dreht. Erst wenn der neue Kurs anliegt, gibt man wieder Fahrt voraus.
Da sich ein Schiff immer um seinen Schwerpunkt in der Mitte dreht, gilt es zu bedenken, dass jede Drehung nach Steuerbord – also nach rechts mit dem Bug – eine Drehung nach Backbord – also nach links in dem Heck – mit sich bringt. Dies ist grundlegend anders als beim Steuern an Land und für Neulinge auf dem Wasser die häufigste Ursache für Kollisionen.
Bei der „Arielle“ befindet sich der Steuerstand fast ganz vorn auf dem Schiff und ich muss mich erst einmal daran gewöhnen, dass die Bewegung der etwa zwei Meter vor mir eine Bewegung der 15 Meter hinter mir implizieren. Aber als Crew meistern wir dieses erste Manöver problemlos und machen auch gleich schon wieder fest. Denn vor uns liegt die Schleuse Wolfsbruch und zwischen dieser und uns befinden sich bereits zehn Boote in Warteposition.
Schleusung ohne Boote
Jetzt heißt es Geduld. Aber wir haben ja Urlaub und eigentlich ist auch schon wieder Mittagszeit. Also wird das Warten zum Kochen genutzt und wir rücken Stück für Stück mit der Schlange vor. Drei Hausboote können je Schleusenvorgang bergauf transportiert werden. Die nächste Schleusung ist unsere. Die Talschleusung läuft, die Tore öffnen, die Boote fahren aus – aber unser Signal schaltet nicht auf Grün. Wir verharren in Warteposition, die Tore schließen sich wieder und die Schleusenkammer füllt sich mit Wasser – ohne Boote. Was ist geschehen?
Wir nutzen die neu gewonnene Wartezeit zum Landgang und tauschen uns mit den beiden vor uns liegenden Booten aus. Die Ursache für das wunderliche Verhalten der Automatikschleuse ist schnell erkannt: Ganz vorn an jeder Wartestelle einer Automatikschleuse befinden sich zwei Hebel. Ein roter, der ausschließlich bei akuter Gefahr gedreht werden darf, und ein grüner, mit dem durch Drehung die Schleusung angefordert wird. Jeder Schiffsführer, der die Poleposition in der Warteschlage einnimmt, muss diesen grünen Hebel bedienen. Andernfalls „weiß“ die Schleuse nicht, dass hier ein Schiff auf den Transport wartet. Da das Versäumnis nun erkannt ist, können wir es auch einfach lösen. Hebel fix gedreht – und das Display bestätigt, dass wir bei der nächsten Bergschleusung dabei sind.
Ankern, wo es einem gefällt
Das Ziel des heutigen Tages ist der Menowsee. Er wird von unserer geplanten Route gestreift und liegt doch abseits des Fahrwassers. Zudem ist er von Bäumen umgeben und recht klein und somit ein idealer Platz zum Ankern. Sobald wir das Gewässer erreichen, biegen wir steuerbords vom Fahrwasser ab. Wir orientieren uns mit sehr langsamer Fahrt in der Bucht. Den Kurs setzen wir senkrecht zum Ufer und ein Crewmitglied steht am Bug und hält ins Wasser Ausschau. Das Floßboot „Arielle“ treibt nun schon recht nah unter Land und wir stoppen die Fahrt auf. Jetzt ist es wichtig, genügend Abstand zum sensiblen Ökosystem des Uferbereichs, zu Seerosen und Schilfgürtel zu halten. Zugleich sollte man nah genug am Ufer sein, sodass das Wasser nicht zu tief ist. Unser Anker ist mit einer Leine am Boot befestigt. Die Wassertiefe darf also nicht mehr als die fünffache Länge der verfügbaren Ankerleine sein. Bei einer Ankerkette genügt auch die dreifache Länge.
Schließlich ist der perfekte Platz erreicht. Wir prüfen nochmals den festen Sitz der Ankerleine an beiden Enden, sonst rauscht diese gleich mit dem Anker in den See, und lassen diesen sodann zu Grunde. Mit sanfter Fahrt achteraus werden die Flunken in den Grund gezogen, die Leine kommt straff, wir liegen sicher, schalten den Motor aus und sogleich umhüllt uns eine einzigartige Stille. Wir fühlen uns eins mit der Natur und bewohnen zugleich ein komfortables Feriendomizil mit unverbaubarem Seeblick und Sonnenterrasse in erster Reihe – wunderbar.
Während die Kinder draußen mit dem Kescher imaginäre Fische in der Abenddämmerung angeln, wird drinnen der Tisch für eine zünftige Brotzeit gedeckt. Als alle satt sind, klingt der Tag bei mehreren Partien UNO aus. Dann fallen wir selig in unsere Kojen.
Auf dem Floß stets die Seenplatte im Blick
Den nächsten Tag beginnen wir mit einem ausgiebigen Frühstück. Dazu gibt es wärmende Herbstsonne und einen wunderschönen Ausblick. Denn der Salon der „Arielle“ ist größtenteils bodentief verglast, was ein herrliches Panorama aus weiter Wasserfläche und buntgefärbtem Uferwald eröffnet. Zwei Schleusen stehen heute auf dem Plan; dazu statt Seen-Hopping eine längere Strecke auf der Havel, das sich durch Buchenwald, Kiefernschonungen und Wiesen schlängelt.
Der Wasserweg wird kurviger, hier und da treffen wir auf Gegenverkehr. Da heißt es Obacht: Einerseits sind 4,80 Meter schon eine stattliche Breite, was wir immer dann merken, wenn wir den Fahrweg frei machen. Andererseits ist ein 15 PS-Antrieb für solch ein großes Gefährt recht wenig. Schnelle Reaktionen sind somit ausgeschlossen. So ähnlich stelle ich mir das Navigieren eines Kreuzfahrtschiffes im Warnemünder Hafen vor – wenn ein Kurs anliegt, dann ist dieser erst einmal gesetzt.
Kurs Richtung Fürstenberg/Havel
Wir passen unser Fahrtempo an und schieben gemächlich und sicher durch das Wasser. So liegt schon bald die Schleuse Steinhavelmühle voraus. Es ist unsere zweite Schleusung; eines haben wir aber schon gelernt: Unser Schiff passt hinein – auch wenn es beim Anfahren anders erscheint. Viel Luft bleibt tatsächlich nicht an beiden Seiten zwischen Schiffskörper und Schleusenwand. Aber wir sind sicher mit Fendern geschützt. Kurze Stöße mit Bug- und Heckstrahlruder ermöglichen beim Hineingleiten die erforderlichen Kurskorrekturen. Mit Leinen wird die „Arielle“ gesichert – je Leine führt ein Crewmitglied diese fest in der Hand. Während es in Wolfsbruch noch bergauf ging, schleusen wir jetzt bergab. Das Wasser hat offensichtlich zwischendurch und von uns ganz unbemerkt seine Fließrichtung geändert. Schon bald setzen wir die Fahrt fort, überqueren den Röblinsee und gelangen schließlich zur Fürstenberger Schleuse.
Hier erwartet uns ein bekanntes Muster: Schleuse in Selbstbedienung. Dafür hat die Schleusenkammer ganz ungeahnte Dimensionen. Wir fahren ein und es erscheint uns, als könnten selbst wir in der Schleuse noch wenden. Das tun wir natürlich nicht, sondern legen backbords an, vergewissern uns, dass alle anderen wartenden Boote auch sicher eingelaufen sind, und drehen schließlich den grünen Hebel. Die Schleusung beginnt.
Bereits um 16 Uhr erreichen wir unser Tagesziel – den Stadtanleger von Fürstenberg/Havel. Den zuständigen Hafenmeister finden wir im nahegelegenen Yachtclub. Von ihm lassen wir uns auch beraten, bei welchem Bäcker es im Ort den besten Kuchen gibt – es ist Kaffeezeit.
Kein „Vollgas“ mehr…
Mit der „Arielle“ benötigen wir keinen Landstrom. Das ist recht praktisch – spart es doch das übliche Verlegen der Anschlusskabel und das damit verbundene Aktivieren des Stroms. Solarpaneele auf dem Dach speisen das Batteriepaket im Rumpf. Und obwohl die Sonnenscheindauer jetzt im Oktober schon sehr gering und häufig von Wolken getrübt ist, steht uns die gesamte Fahrt über die volle Leistung zur Verfügung.
Allerdings geht etwas anderes zur Neige. Davon ahnen wir jedoch noch nichts, als wir den Fürstenberger Hafen am nächsten Morgen verlassen. Während der Fahrt über den Stolpsee soll das Mittagessen bereitet werden. Doch es scheint, die Kartoffeln kommen nicht zum Kochen. Dabei war der Gasherd doch gerade noch an, oder? Ja, genau, er war. Aber nun ist das Gas alle. Heißt: Ohne Gas an Bord gibt es auch kein warmes Wasser und keine Heizung. Im Oktober nicht unbedingt ein Vergnügen… Wir sind also zum Handeln gezwungen, denn leider verfügt unser Boot über keine Reserveflasche.
In Himmelpfort legen wir daher längsseits am Wasserwanderrastplatz an und entrichten die Liegegebühr per Kuvert in die Kasse des Vertrauens. In der Touristinfo erhoffen wir uns Hilfe in Sachen Gasengpass. Doch eine 11 Kilo-Gasflasche gibt es in Himmelpfort nicht. Und mehrere Telefonate mit passenden Kontakten in Lychen – unserem heutigen Etappenziel – stellen klar: Auch dort ist kein Gas vor Ort. Die einzige Lösung: Mit dem Taxi zur Tankstelle nach Fürstenberg/Havel. Geplant, getan. Neben der Schleuse Himmelpfort befindet sich zum Glück eine große Wiese mit Kinderspielplatz – somit ist auch für den Rest der Crew während dieses kurzen Intermezzos gesorgt.
Ein Sturm zieht auf
Später als geplant, aber mit „Vollgas“, erreichen wir schließlich den Zielhafen in Lychen. Es dämmert schon als wir die „Arielle“ sicher am Steg anbinden. Zumindest sicher genug für normale Witterungsverhältnisse. Doch es ist Herbst und über Nacht zieht ein Sturm auf. Wir merken, wie der Wind an den Aufbauten zerrt. Auch am Morgen windet es weiterhin sehr. An ein Auslaufen ist nicht zu denken, denn wir würden wie ein Korken auf dem Wasser treiben. Daher gehen wir auf Entdeckungstour durch Lychen: eine alte Wassermühle, zwei Spielplätze, eine urige Stadtmauer und sechs Seen. Es lohnt sich.
Da wir in der Nebensaison unterwegs sind, bietet der Hafen viel Platz. Für die kommende Nacht nutzen wir diesen vollends aus. Um ruhiger zu liegen, verholen wir das Schiff längsseits und nehmen so den Raum ein, der sonst vier Schiffen zur Verfügung stünde. Mit Vor- und Achterleine und der jeweils korrespondierenden Spring macht der Wind uns nun nichts mehr aus.
Der Sturm geht – der Regen kommt
Am Morgen erscheint die Welt vollständig verändert. Spiegelglatt liegt der See vor uns. Dafür ist die Luft sehr feucht, sodass der Regen einen dünnen Schleier bildet. In passender Outdoorkluft trete ich den Fußmarsch zum Stadtbäcker an. Neben den Frühstücksbrötchen decke ich uns auch mit einer kleinen Kuchenauswahl für den Tag ein – heute benötigen wir mit Sicherheit etwas für die Seele.
Gestärkt mit Rührei, Speck und Brötchen laufen wir aus. Da der Wind abgeflaut hat, können wir die Markise herauskurbeln – sie dient uns heute als Regendach am Steuerstand. Schnell verfliegt der anfängliche Missmut über das Wetter: Die Fahrt durch windstillen Regen über den ruhigen See entwickelt für uns ihren ganz eigenen Reiz. Ein Pott mit heißem Kaffee gleicht die fehlende Wärme aus.
Schon bald sind wir wieder auf der Woblitz. Obwohl unsere Fahrt im Herbst uns ohnehin den Vorteil beschert, dass recht wenig Boote unterwegs sind, reduziert das heutige Regenwetter die Zahl der Schiffe nochmals stark. Und dies ist nun wahrhaft ein Luxus: Allein auf der Woblitz durch den Wald zu mäandern, ganz still, ganz langsam, ganz bei uns.
Den Kindern wird an Bord nie langweilig. Ihre liebste Beschäftigung: Sie werfen von der Sonnenterrasse die Leinen aus und holen diese wie virtuelle Angeln wieder ein. Bei der Fahrt unter einer Brücke versuchen sie die Träger zu treffen und mit der Pütz holen sie Wasser an Bord und bearbeiten die Planken mit dem Feudel. Der Außenborder ist am Heck weit weg – das gibt mir das sichere Gefühl, dass kein Seil in den Propeller geraten kann. Zur Sicherheit ist natürlich ein Ende der Leinen immer an einer Klampe befestigt.
Wir haben keine Eile
So schippern wir dahin durch die Stille, in die der Regenschleier die ganze Welt hüllt. In einer Bucht des Stolpsees werfen wir Anker – der Kuchen kommt auf den Tisch!
Mit der „Arielle“ sind wir autark. Allein Frisch- und Abwasser müssen regelmäßig aufgefüllt beziehungsweise geleert werden. Am Stadtanleger von Fürstenberg/Havel finden wir die nächste Station für diese Aufgabe. Für die reibungslose Umsetzung haben wir uns angewöhnt, das Wechselgeld vom Einkauf beiseite zu legen. In jedem Hafen ist es unterschiedlich: Mal benötigt man 50 Cent- Stücke, mal 1- oder 2-Euro-Münzen für Duschen, Strom, Toiletten, Frischwasser und Abwasser. In jedem Fall ist Kleingeld wichtig und liegt als Bordkasse für diese Zwecke in einer Schale auf dem Tresen bereit.
Schleuse Fürstenberg und Schwedtsee liegen hinter uns, als am Abend sogar noch die Wolkendecke aufreißt. Die goldene Oktobersonne funkelt durch die feuchten Blätter der Buchen, als wir uns der Schleuse Steinhavelmühle nähern. Ob wir diese noch passieren können? Wir haben Glück: Die Tore stehen gerade offen und der Schleusenwärter schaltet das Lichtsignal auf Grün und winkt uns zur letzten Schleusung des Tages heran. Wir sind das einzige Schiff und sollen direkt nach der Einfahrt ganz hinten in der Kammer verweilen. Den Grund für diese Weisung erkennen wir schnell. Diese Schleuse läuft noch in Handbedienung. Der Schleusenwärter öffnet nun alle Schotten und brodelnd und strudelnd schießt das Wasser hinein. In Windeseile geht es bergan und schon wenige Minuten später öffnet sich das Obertor.
Kurz danach legt sich dann die Dämmerung über die Havel. Heute kommen wir nicht mehr weiter. Am Ende der Sportbootwartestelle machen wir fest. Sollte schon früh ein anderes Boot zur Schleusung eintreffen, stören wir hier nicht.
Finale mit Räucherfisch
Zum Heimathafen in der Marina Wolfsbruch sind es nur noch 20 Kilometer, für unseren letzten Tag unter Fahrt eine gute Strecke. Mittagsrast halten wir vor der Schleuse Strasen. Die Forellenzucht von Herrn Kruse ist direkt nebenan und es gibt leckere Fischbrötchen auf die Hand. Zwei Schleusen weiter befinden wir uns schließlich auf dem Hüttenkanal. Aufstoppen, Steuer hart Backbord einschlagen und schon sind wir zurück am Ausgangspunkt unserer Reise. Bevor wir am nächsten Morgen von Bord gehen, lassen wir das Schiff noch für die nächste Fahrt klarmachen: Kraftstoff tanken, Abwasser entsorgen und Frischwasser bunkern. Eine vielfältige Herbstwoche geht zu Ende. Dank der Zentralheizung und der guten Isolierung war es an Bord allzeit warm und gemütlich. Aus der Sicht eines traditionellen Charterboots haben wir gar nicht so viel Strecke zurückgelegt. Für diesen Bootstyp jedoch waren wir gut unterwegs. Für das nächste Mal nehmen wir uns vor, weniger zu fahren und mehr Badestopps einzulegen. Wir kommen wieder – im Sommer.