Mit dem Boot von Berlin zum Märkischen Meer
Zwischen Bundestag und Mühlendammschleuse herrscht Betrieb. Berlin steht unter Dampf – nicht nur auf dem Wasser. Auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist ein Chartertörn durch die Hauptstadt ein besonderes Erlebnis: Großstadtdschungel, Schrebergärten und märkisches Umland sind Umfeld für eine abwechslungsreiche Woche Hausboot mieten in Berlin.
Start in den Bootsurlaub im Südosten Berlins
Was wäre ein passenderer Ort für den Urlaubsbeginn als der Start vom Berliner Südosten aus. Dreiviertel der Stadtfläche sind hier von Wasser, Wald und Parks bedeckt.
Ein idealer Startpunkt nicht nur für uns Urlauber, sondern auch beliebter Standort für zahlreiche Wassersportvereine. Trotz der hohen Dichte an Wassersportaktivitäten ist das Angebot an Charterflotten hier ebenso wie im restlichen Berliner Raum dünn gesät. An der Attraktivität dieses Reviers kann es nicht liegen. Für Bootsführerscheininhaber bietet sich in allen Himmelsrichtungen ein interessantes Revier mit vielfältigen Törnmöglichkeiten für jeden Geschmack.
Weit über 900 Brücken queren die Wasserläufe Berlins, mehr als in Venedig, zugegeben auf einer viel größeren Grundfläche. Aber dennoch sind die Brücken prägend für die Stadt. Obgleich die Hauptstadt in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht als Wasserstadt angekommen ist. Grund genug für uns, in regelmäßigen Abständen die Entwicklung auf den Wasserstraßen rund um und in Berlin zu testen und entsprechende Törnempfehlungen zu geben.
Yachthafen „Historisches Fährhaus“
Direkt am Alten Fährhaus befindet sich die Marina von Rainer Löber. „Zum Zaunkönig“ steht am schmiedeeisernen Tor des kleinen Hafens. Doch wer den kleinen Vogel des Jahres 2004 anzutreffen vermutet, der irrt. Neben dem Chartergeschäft betreibt der Ingenieur und Designer Löber sehr erfolgreich sein Geschäft mit metallenen Zäunen.
Der Yachthafen „Historisches Fährhaus“ beherbergt neben einer kleinen Steganlage einen Wohnmobilstellplatz, ausgezeichnet mit fünf ADAC-Sternen. Auf dem hinteren Abschnitt des Grundstücks befindet sich ein kleines Gästehaus mit zwei Ferienwohnungen. Die wasserzugewandte Seite wird mit einer kleinen Promenade abgeschlossen. Ein Pavillon mit Grillmöglichkeiten und zahlreiche Gartenstühle lassen Urlaubsgefühle aufkommen.
Neuestes Projekt des umtriebigen Inhabers ist ein Hafenbistro direkt am öffentlichen Anleger des Fähre. Eine gute Lage, verbindet die Fähre doch die beiden Berliner Stadtteile Grünau und Alt Glienicke auf kürzestem Wege.
„Herzlich Willkommen“, begrüßt uns ein gutgelaunter Chef. Wir sind sichtlich überrascht vom mediterranen Ambiente des Fährhauses. Hier sei es absichtlicht „fast wie in Italien“, bestätigt uns Rainer Löber. Eine feine, wenn auch kleine Uferpromenade mit roten Terrakottafliesen und großen Kübeln für ausladenden Blumenschmuck. Dazu eine rot untergehende Sonne, deren Strahlen im Wasser versinken. Tatsächlich, fast meinen wir unseren Törn 1.000 km weiter südlich zu beginnen.
Unser Schiff
Rainer Löber führt durch den Yachthafen zur „Adriana II“, eine Pedro Skiron 35, unserer Yacht für die nächsten sieben Tage. Zwei baugleiche Schwesterschiffe namens Arabella und „Angelina“ liegen vertäut am Nachbarsteg. Das signalisiert uns, dass der Eigner mit der Schiffswahl durchaus zufrieden ist. Die Einweisung auf der „Adriana II“ erfolgt angenehm unkompliziert. Auch die Ausstattung überzeugt uns: Auf einer Länge von 10,60 Metern befinden sich vier Schlafplätze aufgeteilt in zwei Kabinen. Jede Kabine verfügt über eine eigene Nasszelle mit WC und Dusche. Ein Perkins-Motor treibt die Yacht mit 91 Pferdestärken voran. Der Steuerstand an Deck ist dank der Persenning vor Schlechtwetter geschützt, die bei Sonnenschein leicht zu lösen ist. Bugstrahlruder und Echolot gehören ebenso zur Ausstattung.
Neben dem Wetter, auf das wir leider keinen Einfluss haben, ist die leibliche Versorgung der Crew für das Gelingen eines Törns ausschlaggebend. Ein großer Kühlschrank, die komplett eingerichtete Küche und ein vierflammiger Gasherd bieten dafür gute Voraussetzungen.
Obgleich die Sonne Anfang Juli noch um 19 Uhr hoch am Horizont steht, beschließen wir, den ersten Abend im Yachthafen zu verbringen. Im gut fünfhundert Meter entfernten Supermarkt decken wir uns mit Proviant für ein Borddinner und die kommenden Tage ein.
Am nächsten Morgen: Unterwegs in „Spree Athen“
Berlin auf dem Wasserwege zu erleben, ist unser Tagesziel, bevor wir unseren Kurs in der kommenden Woche Richtung Süden, nach Bad Saarow, richten.
Das Spreeufer beginnt malerisch mit der Silhouette von Berlin-Köpenick, wird auf den folgenden zwölf Kilometern aber wesentlich bodenständiger. Die Adriana fährt sich vibrationsarm und mit guter Ruderlage. Am Berliner Osthafen grüßen an Backbord die „Molecule Man“, zwei 30 Meter hohe, durchlöcherte Stahlskulpturen des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky. Sie stehen für das friedliche Zusammenkommen der drei Berliner Bezirke Treptow, Kreuzberg und Friedrichshain, die hier aneinandergrenzen. Auf die stählernen Riesen folgt das beliebte Badeschiff auf der Spree und die Veranstaltungshalle „Arena“ mit dem festliegenden Partyschiff „Hoppetossee“. Auf der östlichen Flussseite passieren wir den Ausgehbezirk Friedrichshain, von dem wir außer den Filmstudios vom Musiksender MTV und der großen Veranstaltungshalle „Mercedes-Benz-Arena“ kaum etwas vom Wasser wahrnehmen.
Längste dauerhafte Open-Air-Galerie der Welt
Bootsreisende, die die berühmte East-Side-Gallery besuchen möchten, sollten gleich hinter der Warschauer Brücke an der Gelben Welle des Restaurants „Im Speicher“ an der Mühlenstraße 78–80 festmachen. Auf mehr als einem Kilometer wurde hier die Berliner Mauer im Frühjahr 1990 von 118 Künstlern bemalt. Die Witterung setzte den Kunstwerken so stark zu, dass 2009 die dringend erforderliche Sanierung der Gemälde erfolgte.
Heutzutage wird auf dem ehemaligen Mauerstreifen hinter und jenseits der Galerie am Spreeufer gefeiert, etliche Strandbars säumen den Lauf der Spree bis ins Stadtzentrum.
Mit Passieren der Jannowitzbrücke nimmt der Verkehr auf der Spree kräftig zu: Fahrgastschiffe, Barkassen, Ausflugsdampfer. Von wegen gemächlich Dahinschippern – hier fühlen wir uns wie auf einer Bootsautobahn im Stau: Stop and Go. Eingekeilt zwischen dem Fahrgastschiff „Kehrwieder“ und verfolgt von der „Spree-Lady“ passieren wir den Berliner Dom, blicken auf die Museumsinsel und unterqueren die Friedrichsstraße. Das ist nichts für schwache Nerven und ungeübte Freizeitkapitäne. Aber mit dem nötigen Humor und einer großen Prise Geduld manövriert uns unser Schiffsführer souverän durch das stark befahrene Zentrum. Das Befahren Spree in der Berliner Innenstadt besonderen Regeln unterworfen über die man sich vorab informieren sollte. Die wichtigsten Infos zum Hausboot mieten in Berlin sind hier zusammengefasst.
Im Schatten der Politik
Wir haben Glück und ergattern einen der begehrten Kurzliegeplätze an der kleinen Sportbootliegestelle am Schiffbauerdamm. Maximal 24 Stunden ist der Aufenthalt hier erlaubt, und die Erfahrung lehrt, dass die maximal acht Liegeplätze oft bereits um 16 Uhr belegt sind. Wer über Nacht hier bleiben möchte, der genießt eine vorzügliche Ausgangsbasis, um den kulturellen Wert der Bootsreise zu steigern: Berthold Brechts „Berliner Ensemble“, die schönsten Beine Berlins im Friedrichstadtpalast, Polit-Kabarett in der „Distel“ und die große Bühne im Admiralspalast – alles nur wenige hundert Meter vom Liegeplatz entfernt.
Wir entscheiden uns für eine kleine Gaumenfreunde: Eis aus den USA schmeckt auch im Berliner Sommer. So kehren wir gut gelaunt von einem Spaziergang zur „Bandy Brooks“-Eisdiele am Bahnhof Friedrichstraße zum Boot zurück.
Nach dem Vergnügen durchqueren wir das politische Zentrum der Republik: In Form von steinernen Riesen steht die Politik für uns an den Ufern der Spree Spalier: Bundespresseamt, Parlamentarische Gesellschaft, Bundestag, Abgeordnetenbüros, dann das Bundeskanzleramt, und wir mitten drin. Das Grün des Tiergartens besänftigt unsere Sinne. Kurz blitzt das Schloss Bellevue, Sitz des Bundespräsidenten, durch die Baumwipfel, dann spüren wir an der abnehmenden Dichte von Glas und Beton, wie wir uns aus dem Zentrum der Macht wieder entfernen.
Schmucke Mietshäuser säumen von nun an unsere Fahrt bis zum Schloss Charlottenburg. Am Spandauer Gemünd vereinigen sich Spree und Havel. Die schmucke Altstadt und die Zitadelle des Bezirks, eine gut erhaltene Renaissance-Festung die lange Jahre den Reichskriegsschatz behütete, laden zu Landgängen ein.
Die traditionsreiche „Konditorei Fester“ am Spandauer Markt ist bekannt für guten Kuchen, den wir sogleich an der Sportboot-Liegestelle an der Dischinger Brücke genießen. Der späte Nachmittag wird mit einer Ehrenrunde über den großen Wannsee – vorbei am berühmten Strandbad und der Insel Schwanenwerder gekrönt.
Gegen 20 Uhr laufen wir in die Marina Lanke an der Scharfen Lanke ein. Der größte Yachthafen Berlins liegt in einer Bucht am nördlichen Ende der Unterhavel. Den Abend lassen wir auf der Terrasse des Hafenbistros mit dem Blick übers Wasser ausklingen.
Rücktour in Ruhe vom Hausboot mieten in Berlin
Am nächsten Morgen starten wir die Rücktour durch das Zentrum Berlins. Vor zehn Uhr morgens sind nur wenige Fahrgastschiffe auf der Spree unterwegs. Problemlos durchqueren wir Berlin-Mitte. Vor der Mühlendammschleuse müssen wir zweimal hinschauen: Die Sportbootwartestelle liegt auf der anderen Flussseite – und die Fahrgastschiffe nutzen den Schleusenvorhof gern für schnittige Wendemanöver.
Am dritten Törnabend machen wir die „Adriana II“ am Restaurantschiff „Klipper“ fest – direkt am Treptower Park. Der Zweimaster von 1890, der in Groningen erbaut wurde und im holländischen Wattenmeer zur Versorgung der friesischen Inseln diente, liegt ganzjährig fest vertäut am Spreeufer. Rund um das Schiff ist auf Pfählen eine Terrasse gebaut worden. So hat man die Wahl, bei schönem Wetter entweder an Deck Platz zu nehmen oder aber im Gastraum im ehemaligen Mannschaftsquartier. Wir lassen uns den Fjordlachs auf Kartoffelpuffern mit Senf- Dillsauce und Sahnemeerrettich für 13 Euro munden.
Allein auf weiter Flur
Am nächsten Morgen starten wir in die Brandenburgische Flusswelt südlich von Berlin. Die „Adriana II“ passiert ihren Heimathafen in Köpenick, und wir bewundern derweil die Ruderer auf der Regattastrecke von Grünau. Auf der gleichen Rennbahn wurden schon die Ruder- und Kanuwettbewerbe der Olympischen Spiele 1936 ausgetragen.
Nach Passieren der weitläufigen Gewässer Langer See und Zeuthener See folgen wir hinter dem Örtchen Niederlehme der Dahme in Richtung Zernstof. Bis zu unserem Zielort Bad Saarow sind es noch einige Kilometer.
Unser Skipper entscheidet, man möge die Landschaft während der Fahrt von Bord aus genießen – Zwischenstopps seien von ihm gestrichen worden, um das heutige Törnziel Bad Saarow nicht zu gefährden. Wir fügen uns kleinlaut und lassen die Umgebung auf uns wirken: Malerische märkische Dörfer mit schönen Wassergärten ziehen langsam an uns vorbei. Nur sehr wenige Yachten begleiten unsere Fahrt in Richtung Bad Saarow, die Schleusen sind klein aber jeweils ohne lange Wartezeit zu passieren.
An einem Landgang in Storkow kommt selbst unser strenger Schiffsführer nicht umher. Denn das Städtchen verfügt nicht nur über die für uns Wassersportler so wichtigen Infrastrukturbauwerke wie Schleuse und Klappbrücke, sondern auch über eine alte Burg. In den vergangenen Jahren wurde diese vollständig rekonstruiert, sodass wir heute einen großen Burghof inklusive kleinem Café, Touristinfo und Bibliothek vorfinden. Vom vielen Schauen hungrig, kehren wir sogleich in die gute Stube ein und genießen warmen Apfelstrudel.
Ankommen am Märkischen Meer
Nächste Station für uns ist der Sportboothafen Fontanepark in Dorf Saarow. Schnell finden wir einen freien Liegeplatz, doch für die Zugangschips zum Sanitärbereich sind wir leider zu spät vor Ort. Der Hafenmeister ist schon im wohl verdienten Feierabend. Am nächsten Morgen klären wir die Formalitäten mit dem Hafenmeister Michael Scholz, der die Gelegenheit nutzt und uns zum Bootskorso für das nächste Wochenende über den Scharmützelsee einlädt. Das Event sei ganz neu, und er würde sich über unsere Teilnahme freuen. Leider sind wir nur temporäre Bootseigner. Vielleicht im nächsten Jahr. Dann empfiehlt er uns noch den Hafen an der Freilichtbühne. Dieser sei bei Chartergästen beliebter, zumal der Weg ins Stadtzentrum einige hundert Meter kürzer sei. Doch wir fühlen uns im Fontanepark wohl und wechseln nicht.
Wer den größten See Brandenburgs besucht, von Theodor Fontane einst „Märkisches Meer“ geheißen, sollte die Therme in Bad Saarow nicht versäumen. Erholung ist garantiert. Zum Abend wandern wir zum vielfach ausgezeichneten Hotel „Landhaus Alte Eichen“ auf der Halbinsel des Sees und speisen vorzüglich: Gebratenes Medaillon vom Schweinefilet mit Gorgonzola gratiniert, an Pilzrahm mit gebackenen Hörnchen-Kartoffeln und Blick auf den Scharmützelsee.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns vom See mit einem morgendlichen Bad. Herrlich: Nebelschwaden steigen auf, wir ankern in einer kleinen Bucht und genießen die ersten Sonnenstrahlen. Durch die große Heckklappe der Adriana gelangen wir sofort in unsere persönlichen Umkleidekabine. Luxus pur.
Schmuckes Schloss am Storkower See
Auf dem Storkower See schimmert ein kleines Türmchen hinter dichtem Wald: Vorsichtig nähern wir uns dem Bootsanleger unterhalb des Anwesens. Privatgelände – ja, das Schloss Hubertushöhe – aber dann entdecken wir die Gelbe Welle. Das sichere Zeichen für uns, wir sind als Anleger willkommen. Bis 11 Uhr wird Schlossfrühstück auf der großen Terrasse kredenzt. Ein verlockendes Angebot, das wir uns nicht entgehen lassen. Bei frischem Kaffee schweift unser Blick über den See und die am Kopfsteg vertäute „Adriana II“. Wir fühlen uns ein wenig wie der Geheime Königliche Kommerzienrat Georg W. Büxenstein, der das Ensemble um 1900 als Jagdschloss schuf, nur hatte dieser mit Sicherheit nicht solch ein Schiff.
Spätestens an der Dieseltankstelle am Abzweig des Nottekanals holt uns die Wirklichkeit wieder ein: Unsere Adriana benötig Treibstoff, denn nur vollgetankt nimmt Herr Löber das Schiff wieder entgegen.
Die Sonne zaubert einen herrlich blauen Himmel, und türkis schimmert das Wasser, als wir den Langen See erreichen. Badestopp verkünden die Blicke an Bord: Also, Anker werfen und ab ins kühle Nass. So ist Bootsurlaub.
Gut erfrischt laufen wir mit den letzten Sonnenstrahlen in den Yachthafen Wendenschloss ein. Bei einer Berliner Weiße lassen wir den Tag auf der Terrasse des neuen Hafenbistros ausklingen. Wir sehen zu, wie die Kapitäne die Fähre festmachen und sich auf den Heimweg begeben, Ruderer mit langen Zügen zum Heimathafen gleiten und die Sonne rotleuchtend über dem Wasser versinkt. Jetzt wird uns klar, warum Rainer Löber bei Törnbeginn meinte, es sei hier fast wie in Italien. Nicht nur in Capri kann die rote Sonne malerisch versinken, im Yachthafen Wendenschloss sind auch wir auf der Sonnenseite – der Spree.
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Zwischen Bundestag und Mühlendammschleuse herrscht Betrieb. Berlin steht unter Dampf – nicht nur auf dem Wasser. Auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist ein Chartertörn durch die Hauptstadt ein besonderes Erlebnis: Großstadtdschungel, Schrebergärten und märkisches Umland sind Umfeld für eine abwechslungsreiche Woche Hausboot mieten in Berlin.
Start in den Bootsurlaub im Südosten Berlins
Was wäre ein passenderer Ort für den Urlaubsbeginn als der Start vom Berliner Südosten aus. Dreiviertel der Stadtfläche sind hier von Wasser, Wald und Parks bedeckt.
Ein idealer Startpunkt nicht nur für uns Urlauber, sondern auch beliebter Standort für zahlreiche Wassersportvereine. Trotz der hohen Dichte an Wassersportaktivitäten ist das Angebot an Charterflotten hier ebenso wie im restlichen Berliner Raum dünn gesät. An der Attraktivität dieses Reviers kann es nicht liegen. Für Bootsführerscheininhaber bietet sich in allen Himmelsrichtungen ein interessantes Revier mit vielfältigen Törnmöglichkeiten für jeden Geschmack.
Weit über 900 Brücken queren die Wasserläufe Berlins, mehr als in Venedig, zugegeben auf einer viel größeren Grundfläche. Aber dennoch sind die Brücken prägend für die Stadt. Obgleich die Hauptstadt in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht als Wasserstadt angekommen ist. Grund genug für uns, in regelmäßigen Abständen die Entwicklung auf den Wasserstraßen rund um und in Berlin zu testen und entsprechende Törnempfehlungen zu geben.
Yachthafen „Historisches Fährhaus“
Direkt am Alten Fährhaus befindet sich die Marina von Rainer Löber. „Zum Zaunkönig“ steht am schmiedeeisernen Tor des kleinen Hafens. Doch wer den kleinen Vogel des Jahres 2004 anzutreffen vermutet, der irrt. Neben dem Chartergeschäft betreibt der Ingenieur und Designer Löber sehr erfolgreich sein Geschäft mit metallenen Zäunen.
Der Yachthafen „Historisches Fährhaus“ beherbergt neben einer kleinen Steganlage einen Wohnmobilstellplatz, ausgezeichnet mit fünf ADAC-Sternen. Auf dem hinteren Abschnitt des Grundstücks befindet sich ein kleines Gästehaus mit zwei Ferienwohnungen. Die wasserzugewandte Seite wird mit einer kleinen Promenade abgeschlossen. Ein Pavillon mit Grillmöglichkeiten und zahlreiche Gartenstühle lassen Urlaubsgefühle aufkommen.
Neuestes Projekt des umtriebigen Inhabers ist ein Hafenbistro direkt am öffentlichen Anleger des Fähre. Eine gute Lage, verbindet die Fähre doch die beiden Berliner Stadtteile Grünau und Alt Glienicke auf kürzestem Wege.
„Herzlich Willkommen“, begrüßt uns ein gutgelaunter Chef. Wir sind sichtlich überrascht vom mediterranen Ambiente des Fährhauses. Hier sei es absichtlicht „fast wie in Italien“, bestätigt uns Rainer Löber. Eine feine, wenn auch kleine Uferpromenade mit roten Terrakottafliesen und großen Kübeln für ausladenden Blumenschmuck. Dazu eine rot untergehende Sonne, deren Strahlen im Wasser versinken. Tatsächlich, fast meinen wir unseren Törn 1.000 km weiter südlich zu beginnen.
Unser Schiff
Rainer Löber führt durch den Yachthafen zur „Adriana II“, eine Pedro Skiron 35, unserer Yacht für die nächsten sieben Tage. Zwei baugleiche Schwesterschiffe namens Arabella und „Angelina“ liegen vertäut am Nachbarsteg. Das signalisiert uns, dass der Eigner mit der Schiffswahl durchaus zufrieden ist. Die Einweisung auf der „Adriana II“ erfolgt angenehm unkompliziert. Auch die Ausstattung überzeugt uns: Auf einer Länge von 10,60 Metern befinden sich vier Schlafplätze aufgeteilt in zwei Kabinen. Jede Kabine verfügt über eine eigene Nasszelle mit WC und Dusche. Ein Perkins-Motor treibt die Yacht mit 91 Pferdestärken voran. Der Steuerstand an Deck ist dank der Persenning vor Schlechtwetter geschützt, die bei Sonnenschein leicht zu lösen ist. Bugstrahlruder und Echolot gehören ebenso zur Ausstattung.
Neben dem Wetter, auf das wir leider keinen Einfluss haben, ist die leibliche Versorgung der Crew für das Gelingen eines Törns ausschlaggebend. Ein großer Kühlschrank, die komplett eingerichtete Küche und ein vierflammiger Gasherd bieten dafür gute Voraussetzungen.
Obgleich die Sonne Anfang Juli noch um 19 Uhr hoch am Horizont steht, beschließen wir, den ersten Abend im Yachthafen zu verbringen. Im gut fünfhundert Meter entfernten Supermarkt decken wir uns mit Proviant für ein Borddinner und die kommenden Tage ein.
Am nächsten Morgen: Unterwegs in „Spree Athen“
Berlin auf dem Wasserwege zu erleben, ist unser Tagesziel, bevor wir unseren Kurs in der kommenden Woche Richtung Süden, nach Bad Saarow, richten.
Das Spreeufer beginnt malerisch mit der Silhouette von Berlin-Köpenick, wird auf den folgenden zwölf Kilometern aber wesentlich bodenständiger. Die Adriana fährt sich vibrationsarm und mit guter Ruderlage. Am Berliner Osthafen grüßen an Backbord die „Molecule Man“, zwei 30 Meter hohe, durchlöcherte Stahlskulpturen des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky. Sie stehen für das friedliche Zusammenkommen der drei Berliner Bezirke Treptow, Kreuzberg und Friedrichshain, die hier aneinandergrenzen. Auf die stählernen Riesen folgt das beliebte Badeschiff auf der Spree und die Veranstaltungshalle „Arena“ mit dem festliegenden Partyschiff „Hoppetossee“. Auf der östlichen Flussseite passieren wir den Ausgehbezirk Friedrichshain, von dem wir außer den Filmstudios vom Musiksender MTV und der großen Veranstaltungshalle „Mercedes-Benz-Arena“ kaum etwas vom Wasser wahrnehmen.
Längste dauerhafte Open-Air-Galerie der Welt
Bootsreisende, die die berühmte East-Side-Gallery besuchen möchten, sollten gleich hinter der Warschauer Brücke an der Gelben Welle des Restaurants „Im Speicher“ an der Mühlenstraße 78–80 festmachen. Auf mehr als einem Kilometer wurde hier die Berliner Mauer im Frühjahr 1990 von 118 Künstlern bemalt. Die Witterung setzte den Kunstwerken so stark zu, dass 2009 die dringend erforderliche Sanierung der Gemälde erfolgte.
Heutzutage wird auf dem ehemaligen Mauerstreifen hinter und jenseits der Galerie am Spreeufer gefeiert, etliche Strandbars säumen den Lauf der Spree bis ins Stadtzentrum.
Mit Passieren der Jannowitzbrücke nimmt der Verkehr auf der Spree kräftig zu: Fahrgastschiffe, Barkassen, Ausflugsdampfer. Von wegen gemächlich Dahinschippern – hier fühlen wir uns wie auf einer Bootsautobahn im Stau: Stop and Go. Eingekeilt zwischen dem Fahrgastschiff „Kehrwieder“ und verfolgt von der „Spree-Lady“ passieren wir den Berliner Dom, blicken auf die Museumsinsel und unterqueren die Friedrichsstraße. Das ist nichts für schwache Nerven und ungeübte Freizeitkapitäne. Aber mit dem nötigen Humor und einer großen Prise Geduld manövriert uns unser Schiffsführer souverän durch das stark befahrene Zentrum. Das Befahren Spree in der Berliner Innenstadt besonderen Regeln unterworfen über die man sich vorab informieren sollte. Die wichtigsten Infos zum Hausboot mieten in Berlin sind hier zusammengefasst.
Im Schatten der Politik
Wir haben Glück und ergattern einen der begehrten Kurzliegeplätze an der kleinen Sportbootliegestelle am Schiffbauerdamm. Maximal 24 Stunden ist der Aufenthalt hier erlaubt, und die Erfahrung lehrt, dass die maximal acht Liegeplätze oft bereits um 16 Uhr belegt sind. Wer über Nacht hier bleiben möchte, der genießt eine vorzügliche Ausgangsbasis, um den kulturellen Wert der Bootsreise zu steigern: Berthold Brechts „Berliner Ensemble“, die schönsten Beine Berlins im Friedrichstadtpalast, Polit-Kabarett in der „Distel“ und die große Bühne im Admiralspalast – alles nur wenige hundert Meter vom Liegeplatz entfernt.
Wir entscheiden uns für eine kleine Gaumenfreunde: Eis aus den USA schmeckt auch im Berliner Sommer. So kehren wir gut gelaunt von einem Spaziergang zur „Bandy Brooks“-Eisdiele am Bahnhof Friedrichstraße zum Boot zurück.
Nach dem Vergnügen durchqueren wir das politische Zentrum der Republik: In Form von steinernen Riesen steht die Politik für uns an den Ufern der Spree Spalier: Bundespresseamt, Parlamentarische Gesellschaft, Bundestag, Abgeordnetenbüros, dann das Bundeskanzleramt, und wir mitten drin. Das Grün des Tiergartens besänftigt unsere Sinne. Kurz blitzt das Schloss Bellevue, Sitz des Bundespräsidenten, durch die Baumwipfel, dann spüren wir an der abnehmenden Dichte von Glas und Beton, wie wir uns aus dem Zentrum der Macht wieder entfernen.
Schmucke Mietshäuser säumen von nun an unsere Fahrt bis zum Schloss Charlottenburg. Am Spandauer Gemünd vereinigen sich Spree und Havel. Die schmucke Altstadt und die Zitadelle des Bezirks, eine gut erhaltene Renaissance-Festung die lange Jahre den Reichskriegsschatz behütete, laden zu Landgängen ein.
Die traditionsreiche „Konditorei Fester“ am Spandauer Markt ist bekannt für guten Kuchen, den wir sogleich an der Sportboot-Liegestelle an der Dischinger Brücke genießen. Der späte Nachmittag wird mit einer Ehrenrunde über den großen Wannsee – vorbei am berühmten Strandbad und der Insel Schwanenwerder gekrönt.
Gegen 20 Uhr laufen wir in die Marina Lanke an der Scharfen Lanke ein. Der größte Yachthafen Berlins liegt in einer Bucht am nördlichen Ende der Unterhavel. Den Abend lassen wir auf der Terrasse des Hafenbistros mit dem Blick übers Wasser ausklingen.
Rücktour in Ruhe vom Hausboot mieten in Berlin
Am nächsten Morgen starten wir die Rücktour durch das Zentrum Berlins. Vor zehn Uhr morgens sind nur wenige Fahrgastschiffe auf der Spree unterwegs. Problemlos durchqueren wir Berlin-Mitte. Vor der Mühlendammschleuse müssen wir zweimal hinschauen: Die Sportbootwartestelle liegt auf der anderen Flussseite – und die Fahrgastschiffe nutzen den Schleusenvorhof gern für schnittige Wendemanöver.
Am dritten Törnabend machen wir die „Adriana II“ am Restaurantschiff „Klipper“ fest – direkt am Treptower Park. Der Zweimaster von 1890, der in Groningen erbaut wurde und im holländischen Wattenmeer zur Versorgung der friesischen Inseln diente, liegt ganzjährig fest vertäut am Spreeufer. Rund um das Schiff ist auf Pfählen eine Terrasse gebaut worden. So hat man die Wahl, bei schönem Wetter entweder an Deck Platz zu nehmen oder aber im Gastraum im ehemaligen Mannschaftsquartier. Wir lassen uns den Fjordlachs auf Kartoffelpuffern mit Senf- Dillsauce und Sahnemeerrettich für 13 Euro munden.
Allein auf weiter Flur
Am nächsten Morgen starten wir in die Brandenburgische Flusswelt südlich von Berlin. Die „Adriana II“ passiert ihren Heimathafen in Köpenick, und wir bewundern derweil die Ruderer auf der Regattastrecke von Grünau. Auf der gleichen Rennbahn wurden schon die Ruder- und Kanuwettbewerbe der Olympischen Spiele 1936 ausgetragen.
Nach Passieren der weitläufigen Gewässer Langer See und Zeuthener See folgen wir hinter dem Örtchen Niederlehme der Dahme in Richtung Zernstof. Bis zu unserem Zielort Bad Saarow sind es noch einige Kilometer.
Unser Skipper entscheidet, man möge die Landschaft während der Fahrt von Bord aus genießen – Zwischenstopps seien von ihm gestrichen worden, um das heutige Törnziel Bad Saarow nicht zu gefährden. Wir fügen uns kleinlaut und lassen die Umgebung auf uns wirken: Malerische märkische Dörfer mit schönen Wassergärten ziehen langsam an uns vorbei. Nur sehr wenige Yachten begleiten unsere Fahrt in Richtung Bad Saarow, die Schleusen sind klein aber jeweils ohne lange Wartezeit zu passieren.
An einem Landgang in Storkow kommt selbst unser strenger Schiffsführer nicht umher. Denn das Städtchen verfügt nicht nur über die für uns Wassersportler so wichtigen Infrastrukturbauwerke wie Schleuse und Klappbrücke, sondern auch über eine alte Burg. In den vergangenen Jahren wurde diese vollständig rekonstruiert, sodass wir heute einen großen Burghof inklusive kleinem Café, Touristinfo und Bibliothek vorfinden. Vom vielen Schauen hungrig, kehren wir sogleich in die gute Stube ein und genießen warmen Apfelstrudel.
Ankommen am Märkischen Meer
Nächste Station für uns ist der Sportboothafen Fontanepark in Dorf Saarow. Schnell finden wir einen freien Liegeplatz, doch für die Zugangschips zum Sanitärbereich sind wir leider zu spät vor Ort. Der Hafenmeister ist schon im wohl verdienten Feierabend. Am nächsten Morgen klären wir die Formalitäten mit dem Hafenmeister Michael Scholz, der die Gelegenheit nutzt und uns zum Bootskorso für das nächste Wochenende über den Scharmützelsee einlädt. Das Event sei ganz neu, und er würde sich über unsere Teilnahme freuen. Leider sind wir nur temporäre Bootseigner. Vielleicht im nächsten Jahr. Dann empfiehlt er uns noch den Hafen an der Freilichtbühne. Dieser sei bei Chartergästen beliebter, zumal der Weg ins Stadtzentrum einige hundert Meter kürzer sei. Doch wir fühlen uns im Fontanepark wohl und wechseln nicht.
Wer den größten See Brandenburgs besucht, von Theodor Fontane einst „Märkisches Meer“ geheißen, sollte die Therme in Bad Saarow nicht versäumen. Erholung ist garantiert. Zum Abend wandern wir zum vielfach ausgezeichneten Hotel „Landhaus Alte Eichen“ auf der Halbinsel des Sees und speisen vorzüglich: Gebratenes Medaillon vom Schweinefilet mit Gorgonzola gratiniert, an Pilzrahm mit gebackenen Hörnchen-Kartoffeln und Blick auf den Scharmützelsee.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns vom See mit einem morgendlichen Bad. Herrlich: Nebelschwaden steigen auf, wir ankern in einer kleinen Bucht und genießen die ersten Sonnenstrahlen. Durch die große Heckklappe der Adriana gelangen wir sofort in unsere persönlichen Umkleidekabine. Luxus pur.
Schmuckes Schloss am Storkower See
Auf dem Storkower See schimmert ein kleines Türmchen hinter dichtem Wald: Vorsichtig nähern wir uns dem Bootsanleger unterhalb des Anwesens. Privatgelände – ja, das Schloss Hubertushöhe – aber dann entdecken wir die Gelbe Welle. Das sichere Zeichen für uns, wir sind als Anleger willkommen. Bis 11 Uhr wird Schlossfrühstück auf der großen Terrasse kredenzt. Ein verlockendes Angebot, das wir uns nicht entgehen lassen. Bei frischem Kaffee schweift unser Blick über den See und die am Kopfsteg vertäute „Adriana II“. Wir fühlen uns ein wenig wie der Geheime Königliche Kommerzienrat Georg W. Büxenstein, der das Ensemble um 1900 als Jagdschloss schuf, nur hatte dieser mit Sicherheit nicht solch ein Schiff.
Spätestens an der Dieseltankstelle am Abzweig des Nottekanals holt uns die Wirklichkeit wieder ein: Unsere Adriana benötig Treibstoff, denn nur vollgetankt nimmt Herr Löber das Schiff wieder entgegen.
Die Sonne zaubert einen herrlich blauen Himmel, und türkis schimmert das Wasser, als wir den Langen See erreichen. Badestopp verkünden die Blicke an Bord: Also, Anker werfen und ab ins kühle Nass. So ist Bootsurlaub.
Gut erfrischt laufen wir mit den letzten Sonnenstrahlen in den Yachthafen Wendenschloss ein. Bei einer Berliner Weiße lassen wir den Tag auf der Terrasse des neuen Hafenbistros ausklingen. Wir sehen zu, wie die Kapitäne die Fähre festmachen und sich auf den Heimweg begeben, Ruderer mit langen Zügen zum Heimathafen gleiten und die Sonne rotleuchtend über dem Wasser versinkt. Jetzt wird uns klar, warum Rainer Löber bei Törnbeginn meinte, es sei hier fast wie in Italien. Nicht nur in Capri kann die rote Sonne malerisch versinken, im Yachthafen Wendenschloss sind auch wir auf der Sonnenseite – der Spree.
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