Mit dem Hausboot in die Uckermark
Wie ein Wohnzimmer auf Kufen gleiten wir dahin. Das Panorama ist einmalig. Und diese Stille. Anfangs irritiert sie, doch schnell finden wir uns mit dem ungewohnt langsamen Rhythmus zurecht. Mit dem Hausboot in die Uckermark sind wir eine Woche mit dem Seemobil im Seengebiet zwischen Zehdenick-Mildenberg und Templin unterwegs.
„Herzlich willkommen im Idyll“, empfängt uns der Vercharterer in seinem schwimmenden Appartement im Loftstil. Wir befinden uns im kleinen Hafen des Ziegeleipark Mildenberg, sechzig Kilometer nördlich von Berlin, wo der „Seemobil“ getaufte Katamaran fest vertäut am Steg liegt.
Die Begegnung mit dem Seemobil
Baumgärtner nimmt sich Zeit für seine Gäste und seinen Traum vom Seemobil. Mit einem befreundeten Architekten entwarf der Projektentwickler vor drei Jahren das Konzept vom Seemobil. Urbanes Leben in der Natur, so könnte man den Entwurf von Baumgärtner nennen. Eine helle, honigfarbene Holzverkleidung umhüllt die Schlaf- und Sanitärräume des Schiffes. Durchsetzt wird die Verkleidung von Bullaugen und schmalen Fensterflächen. Die vordere Hälfte des Schiffes ist lichtdurchflutet. Die raumhohe Glasfront zieht sich über die gesamte Schiffsbreite. Jeweils zwei Elemente lassen sich auf Schienen zusammenschieben und holen die Natur direkt ins Wohnzimmer. Zur nächsten Seemobil-Baureihe soll noch mehr Pfiff in die Möbel kommen, berichtet Baumgärtner. Entsprechende Planungen seien gerade in Kooperation mit der Berliner Kunsthochschule in der Umsetzung.
Im Morgenlicht verschleiert der See noch sein Antlitz und wir genießen den Kaffee mit sagenhaftem Panorama. Zu jeder Einweisung in das Seemobil gehört eine Probefahrt mit dem Eigner. Langsam schiebt sich das zwölf Tonnen schwere Mobil aus der Liegebox. Kurz heulen die zwei Motoren auf und das Mobil steht still. Die Maschinen werden gegenläufig eingestellt und das Seemobil dreht sich um seine eigene Achse ohne Abdrift. Mit solch genauer Navigation hatten wir nicht gerechnet.
Bootseinweisung bestanden
Unser Vercharterer schaut zufrieden in die Runde. Die Premiere an Bord ist bestanden. Seicht gleiten wir die Havel hinab in Richtung Zehdenick. Kilometer um Kilometer werden wir vertrauter mit der Steuerung. Beim Tanken stellen wir fest, dass auch der direkte Kontakt zwischen Schiffskörper und Hafenmauer beim Seemobil durchaus zum Navigieren gehört, aber nur als Fixpunkt für Drehungen. Dafür ist der Rumpf mit einer Gummiwulst ausgelegt. Etwas ungewohnt für uns, aber hilfreich und praktisch.
Zwei Dieselmotoren mit je 11,80 Kilowatt treiben das Seemobil mit einem Tiefgang von 70 Zentimetern durch das grün-blaue Wasser. Mit seinen maximal neun Stundenkilometern erscheint es auf den ersten Blick langsam. Doch die Masse des Schiffs schiebt von hinten. Ich bin dankbar für die zwei leistungsfähigen Motoren, die den Katamaran auf Kommando zum Stillstehen bringen. Ich fühle mich schon wie ein richtiger Binnenschiffer: Zwei Steuerhebel in der Hand und ein Palast auf dem Wasser mein eigen.
Zweimal aufstoppen, wenden und gemeinsam in Zehdenick tanken. Dann geht es zurück zur Marina Mildenberg, und Herr Baumgärtner überlässt uns das Seemobil.
Die Reise beginnt
Die Dielen im Wohnraum strahlen wohnliche Wärme aus. Unterstützt wird dieses Empfinden durch eine Webasto-Heizluftheißung, die wahre Wunder auch an kühlen Herbstabenden vollbringt. Es ist angenehm warm – trotz der vielen Glasflächen. Der Wohnraum ist in drei große Bereiche gegliedert. Die vordere Hälfte dient als Wohn- und Aufenthaltsraum. Eine breite Sonnenterasse lässt sich direkt vom Wohnraum aus betreten. Schiebt man die dreiflüglige Fensterfront zusammen, so kann man den Wohnraum um die Terrasse erweitern. Die zweite Schiffshälfte beherbergt zwei Kabinen mit je zwei Betten sowie einen Sanitärraum und eine offene Küchenzeile.
Die Havel in Richtung Kannenburg ist sehr ruhig, ja fast schon unspektakulär. Nur Wälder und Wiesen säumen das Ufer. Hin und wieder begegnen wir einzelnen Booten. Jedes Mal löst unser Erscheinen ungläubige Blicke aus. Weit kommen wir nicht am ersten Tag. An der Anlegestelle zur Schleuse Marienthal beschließen wir festzumachen. Für heute genug gefahren. Das Anlegen geht problemlos. Wie wir merken, lässt sich das Seemobil durch die beiden Maschinen sehr kontrolliert steuern.
Laut schellt der Wecker durch das Schiff. Aufstehen bewirkt bei Schiffsbesatzungen den Effekt wie das Umwerfen eines Dominosteines. Unklar ist mir bis heute, ob Ehrgeiz der Antrieb meiner Mitreisenden ist, oder doch die naturgemäß hellhörige Konstruktion der meisten Schiffe.
Mit dem Hausboot in die Uckermark nach Templin
Um acht Uhr sind alle munter an Deck, und wir legen in Richtung Templin ab. Schnell ist der Große Kuhwallsee durchquert, und die Schleuse Kannenburg liegt respekteinflößend vor uns. Das Seemobil füllt fast die gesamte Breite des Schleusentores. Also geben wir sacht Gas und gleiten in die Schleusenkammer. [Die Schleuse Kannenburg wurde in den letzten Jahren neu gebaut und wird 2023 mit größeren Maßen neu eröffnet.]
Gemeinsam mit dem netten Schleusenwärter kurbeln wir an den Schots und Toren, um unsere Weiterfahrt zu ermöglichen. Während ein Teil der Besatzung dem Schleusenwärter hilft, entdecke ich auf dem Grundstück neben der Schleuse den Tinkerhof Kannenburg der Familie Berlin. Einstmals betrieb die Familie hier ein beliebtes Ausflugslokal. Die Wirren der Geschichte ließen die erfolgreiche Zeit der Gaststätte lange ruhen. Heute knüpft ein kleiner Imbiss im Garten wieder an die Tradition des Hauses an.
So früh am Morgen ist noch alles verwaist. Zum Abschied knipst der Schleusenwärter noch ein Bild von uns, und damit wir alle ein Erinnerungsfoto haben, schickt er die Helfenden für das Bild an Bord und kurbelt allein die schweren Tore auf.
Es folgt nun der Lankensee und nach ihm der Röddelinsee in südwestlicher Richtung. Am Ostufer des Sees entdecken wir den Anleger zur Westernstadt „Eldorado Templin“. Leider ist der Freizeitpark am heutigen Montag geschlossen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als direkt nach Templin weiterzufahren. Die fünf Kilometer bis zur Schleuse Templin legen wir zügig zurück. Obgleich sich Templin als beliebtes Ausflugsziel auf dem Wasser etabliert hat, müssen wir nicht lange auf die Weiterfahrt warten.
Von Boot zu Boot
In der Schleuse begegnen wir einem netten Ehepaar aus Potsdam, das sich auf dreiwöchiger Urlaubsreise auf eigenem Kiel befindet. Sie sind zum wiederholten Male in Templin und loben den Fährsee am Ende der Seenkette: „Fischen und Pilzesuchen“, dafür seien See und umliegende Wälder optimal. Sie bleiben mit ihrem Kajütboot sicherlich zwei Tage in den Templiner Gewässern – das lohnt sich. „Einfach mal hinfahren“, ist ihr gutgemeinter Rat an uns.
Zum Anlegen in Templin fahren wir zum Stadthafen. Bei starkem Seitenwind gestaltet sich das Anlegemanöver nicht mehr so einfach wie auf den geschützten Kanalstücken. Jetzt wissen wir, warum uns der Eigner während der Probefahrt euphorisch vom neuen Elektroantrieb berichtete, der über den Winter installiert wird und eine kinderleichte Navigation ermöglichen soll. Doch jetzt freuen wir uns über die Hilfe des Hafenmeisters, der mit klaren Ansagen die Mannschaft unter Kontrolle bringt. Das Anlegen gelingt beim zweiten Anlauf problemlos ohne Verlust an Crew und Seemobil.
Im Stadthafen von Templin
Das uckermärkische Städtchen Templin lohnt einen ausgiebigen Stadtspaziergang. Fast vollständig wird die Stadt durch die bis zu sieben Meter hohe Stadtmauer umschlossen. Wir folgen dem am Prenzlauer Tor beginnenden Rundweg, bevor wir ins Zentrum von Templin, dem Marktplatz mit Rathaus aufbrechen. In einer Seitengasse entdecken wir einen Naturkostanbieter und erstehen frischen Ziegenkäse und deftigen Schinken.
In Templin sollte die Gelegenheit zum Auffrischen auch des restlichen Proviants genutzt werden. Supermärkte befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Schleusenbrücke.
Wir bleiben über Nacht in Templin und starten am nächsten Morgen zur weiteren Erkundung der Templiner Gewässer. Weiter als bis nach Templin sind wir mit einem Boot zuvor noch nie gekommen. Dahinter sollen sich wunderbar klare Seen befinden, wurde uns berichtet. Und was böte sich besser an, als diese mit dem Seemobil, einem Badeschiff par excellence, zu erkunden. Der Templiner See ist von dichtem Wald umgeben und zieht sich schlauchförmig auf drei Kilometern vor uns hin. Am Bruchsee müssen wir uns entscheiden, in östlicher Richtung zum Fährsee oder in Richtung Gleuensee nach Norden. Wir beschließen erst den Fährsee zu erkunden und nach einem Badestopp zum Gleuensee zu fahren.
Lieber Vorsicht als einen Schaden am Boot
Doch ehe wir in den Föhrsee einfahren können, versperrt eine Brücke unsere Einfahrt. Laut Karte sollte die Durchfahrt knapp passen. Wir zweifeln lange und fahren in Schritttempo an die Brücke heran, nicht ohne zuvor Gegenverkehr durch das hier kreuzende Fahrgastschiff ausgeschlossen zu haben. Ein Mitfahrer wird auf dem Dach postiert und peilt die Durchfahrtshöhe. Wer hätte das gedacht, es passt tatsächlich; geschmeidig gleitet das Gefährt durch die schmale Brückendurchfahrt. Wir ankern in einer nahen Bucht, schneiden frischen Templiner Kuchen an und machen es uns gemeinsam auf dem Oberdeck gemütlich. Herrlich, mitten auf dem See sitzen, von oben auf die Umgebung schauen und die Zeit genießen. Diese Aussicht bietet kein Panoramarestaurant.
Morgenpanorama
Von hier gehen wir nicht mehr fort. Also bleiben wir die Nacht über vor Anker. Am nächsten Morgen steigt Frühnebel aus Wald und Gewässer empor. Ein Wahnsinnspanorama, wir ganz allein auf dem weiten See. Wir frühstücken gemütlich und wollen noch einmal die Wasserqualität testen. Dafür verholen wir uns in den Gleuensee und werfen das seemobileigene Wassertrampolin in den See. Mutige voran, und bald tümmelt sich die gesamte Mannschaft im See – was für ein Spaß. Ausgetobt und zufrieden starten wir am frühen Nachmittag die Maschinen, bunkern noch einmal Wasser an der kleinen Marina am Röddelinsee und fahren Richtung Zehdenick.
An der Marienthalschleuse holt uns die Dämmerung ein, sodass wir über Nacht bleiben. Früh am Morgen, zur ersten Schleusung, sind wir an Deck und informieren den Schleusenwärter, dass wir die Wentower Gewässer erkunden möchten. Er ermahnt uns zur Rückkehr bis zur letzten Schleusung um 16 Uhr und wünscht gute Fahrt. Die Strecke führt erst durch ein schmales Kanalstück, bei dem unsere Terrasse gefühlsmäßig die gesamte Breite einnimmt und danach über weite Seen, an deren Ufer viele große Hausboote als stationäre Feriendomizile dienen. Kurz vor 16 Uhr sind wir wieder an der Schleuse und gelangen so am frühen Abend zurück nach Zehdenick.
Am letzten Abend dinieren wir zur Feier des Tages im Restaurant der Marina Zehdenick „Alter Hafen“. Das Restaurant ist gut gefüllt und wir genießen regionale Spezialitäten von Ziegenkäse bis Forelle und Zander. In gemütlicher Runde verdrängen wir schnell den Gedanken daran, das Seemobil am nächsten Morgen verlassen zu müssen. Lieber planen wir schon den nächsten gemeinsamen Urlaub an Bord der schwimmenden Ferienwohnung.
—
Dieser Text stammt aus einer älteren Ausgabe vom Magazin Seenland und wurde 2023 aktualisiert. Das Seemobil ist nicht mehr mietbar. Hier eine Auswahl an mietbaren Booten in der Region.
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Wie ein Wohnzimmer auf Kufen gleiten wir dahin. Das Panorama ist einmalig. Und diese Stille. Anfangs irritiert sie, doch schnell finden wir uns mit dem ungewohnt langsamen Rhythmus zurecht. Mit dem Hausboot in die Uckermark sind wir eine Woche mit dem Seemobil im Seengebiet zwischen Zehdenick-Mildenberg und Templin unterwegs.
„Herzlich willkommen im Idyll“, empfängt uns der Vercharterer in seinem schwimmenden Appartement im Loftstil. Wir befinden uns im kleinen Hafen des Ziegeleipark Mildenberg, sechzig Kilometer nördlich von Berlin, wo der „Seemobil“ getaufte Katamaran fest vertäut am Steg liegt.
Die Begegnung mit dem Seemobil
Baumgärtner nimmt sich Zeit für seine Gäste und seinen Traum vom Seemobil. Mit einem befreundeten Architekten entwarf der Projektentwickler vor drei Jahren das Konzept vom Seemobil. Urbanes Leben in der Natur, so könnte man den Entwurf von Baumgärtner nennen. Eine helle, honigfarbene Holzverkleidung umhüllt die Schlaf- und Sanitärräume des Schiffes. Durchsetzt wird die Verkleidung von Bullaugen und schmalen Fensterflächen. Die vordere Hälfte des Schiffes ist lichtdurchflutet. Die raumhohe Glasfront zieht sich über die gesamte Schiffsbreite. Jeweils zwei Elemente lassen sich auf Schienen zusammenschieben und holen die Natur direkt ins Wohnzimmer. Zur nächsten Seemobil-Baureihe soll noch mehr Pfiff in die Möbel kommen, berichtet Baumgärtner. Entsprechende Planungen seien gerade in Kooperation mit der Berliner Kunsthochschule in der Umsetzung.
Im Morgenlicht verschleiert der See noch sein Antlitz und wir genießen den Kaffee mit sagenhaftem Panorama. Zu jeder Einweisung in das Seemobil gehört eine Probefahrt mit dem Eigner. Langsam schiebt sich das zwölf Tonnen schwere Mobil aus der Liegebox. Kurz heulen die zwei Motoren auf und das Mobil steht still. Die Maschinen werden gegenläufig eingestellt und das Seemobil dreht sich um seine eigene Achse ohne Abdrift. Mit solch genauer Navigation hatten wir nicht gerechnet.
Bootseinweisung bestanden
Unser Vercharterer schaut zufrieden in die Runde. Die Premiere an Bord ist bestanden. Seicht gleiten wir die Havel hinab in Richtung Zehdenick. Kilometer um Kilometer werden wir vertrauter mit der Steuerung. Beim Tanken stellen wir fest, dass auch der direkte Kontakt zwischen Schiffskörper und Hafenmauer beim Seemobil durchaus zum Navigieren gehört, aber nur als Fixpunkt für Drehungen. Dafür ist der Rumpf mit einer Gummiwulst ausgelegt. Etwas ungewohnt für uns, aber hilfreich und praktisch.
Zwei Dieselmotoren mit je 11,80 Kilowatt treiben das Seemobil mit einem Tiefgang von 70 Zentimetern durch das grün-blaue Wasser. Mit seinen maximal neun Stundenkilometern erscheint es auf den ersten Blick langsam. Doch die Masse des Schiffs schiebt von hinten. Ich bin dankbar für die zwei leistungsfähigen Motoren, die den Katamaran auf Kommando zum Stillstehen bringen. Ich fühle mich schon wie ein richtiger Binnenschiffer: Zwei Steuerhebel in der Hand und ein Palast auf dem Wasser mein eigen.
Zweimal aufstoppen, wenden und gemeinsam in Zehdenick tanken. Dann geht es zurück zur Marina Mildenberg, und Herr Baumgärtner überlässt uns das Seemobil.
Die Reise beginnt
Die Dielen im Wohnraum strahlen wohnliche Wärme aus. Unterstützt wird dieses Empfinden durch eine Webasto-Heizluftheißung, die wahre Wunder auch an kühlen Herbstabenden vollbringt. Es ist angenehm warm – trotz der vielen Glasflächen. Der Wohnraum ist in drei große Bereiche gegliedert. Die vordere Hälfte dient als Wohn- und Aufenthaltsraum. Eine breite Sonnenterasse lässt sich direkt vom Wohnraum aus betreten. Schiebt man die dreiflüglige Fensterfront zusammen, so kann man den Wohnraum um die Terrasse erweitern. Die zweite Schiffshälfte beherbergt zwei Kabinen mit je zwei Betten sowie einen Sanitärraum und eine offene Küchenzeile.
Die Havel in Richtung Kannenburg ist sehr ruhig, ja fast schon unspektakulär. Nur Wälder und Wiesen säumen das Ufer. Hin und wieder begegnen wir einzelnen Booten. Jedes Mal löst unser Erscheinen ungläubige Blicke aus. Weit kommen wir nicht am ersten Tag. An der Anlegestelle zur Schleuse Marienthal beschließen wir festzumachen. Für heute genug gefahren. Das Anlegen geht problemlos. Wie wir merken, lässt sich das Seemobil durch die beiden Maschinen sehr kontrolliert steuern.
Laut schellt der Wecker durch das Schiff. Aufstehen bewirkt bei Schiffsbesatzungen den Effekt wie das Umwerfen eines Dominosteines. Unklar ist mir bis heute, ob Ehrgeiz der Antrieb meiner Mitreisenden ist, oder doch die naturgemäß hellhörige Konstruktion der meisten Schiffe.
Mit dem Hausboot in die Uckermark nach Templin
Um acht Uhr sind alle munter an Deck, und wir legen in Richtung Templin ab. Schnell ist der Große Kuhwallsee durchquert, und die Schleuse Kannenburg liegt respekteinflößend vor uns. Das Seemobil füllt fast die gesamte Breite des Schleusentores. Also geben wir sacht Gas und gleiten in die Schleusenkammer. [Die Schleuse Kannenburg wurde in den letzten Jahren neu gebaut und wird 2023 mit größeren Maßen neu eröffnet.]
Gemeinsam mit dem netten Schleusenwärter kurbeln wir an den Schots und Toren, um unsere Weiterfahrt zu ermöglichen. Während ein Teil der Besatzung dem Schleusenwärter hilft, entdecke ich auf dem Grundstück neben der Schleuse den Tinkerhof Kannenburg der Familie Berlin. Einstmals betrieb die Familie hier ein beliebtes Ausflugslokal. Die Wirren der Geschichte ließen die erfolgreiche Zeit der Gaststätte lange ruhen. Heute knüpft ein kleiner Imbiss im Garten wieder an die Tradition des Hauses an.
So früh am Morgen ist noch alles verwaist. Zum Abschied knipst der Schleusenwärter noch ein Bild von uns, und damit wir alle ein Erinnerungsfoto haben, schickt er die Helfenden für das Bild an Bord und kurbelt allein die schweren Tore auf.
Es folgt nun der Lankensee und nach ihm der Röddelinsee in südwestlicher Richtung. Am Ostufer des Sees entdecken wir den Anleger zur Westernstadt „Eldorado Templin“. Leider ist der Freizeitpark am heutigen Montag geschlossen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als direkt nach Templin weiterzufahren. Die fünf Kilometer bis zur Schleuse Templin legen wir zügig zurück. Obgleich sich Templin als beliebtes Ausflugsziel auf dem Wasser etabliert hat, müssen wir nicht lange auf die Weiterfahrt warten.
Von Boot zu Boot
In der Schleuse begegnen wir einem netten Ehepaar aus Potsdam, das sich auf dreiwöchiger Urlaubsreise auf eigenem Kiel befindet. Sie sind zum wiederholten Male in Templin und loben den Fährsee am Ende der Seenkette: „Fischen und Pilzesuchen“, dafür seien See und umliegende Wälder optimal. Sie bleiben mit ihrem Kajütboot sicherlich zwei Tage in den Templiner Gewässern – das lohnt sich. „Einfach mal hinfahren“, ist ihr gutgemeinter Rat an uns.
Zum Anlegen in Templin fahren wir zum Stadthafen. Bei starkem Seitenwind gestaltet sich das Anlegemanöver nicht mehr so einfach wie auf den geschützten Kanalstücken. Jetzt wissen wir, warum uns der Eigner während der Probefahrt euphorisch vom neuen Elektroantrieb berichtete, der über den Winter installiert wird und eine kinderleichte Navigation ermöglichen soll. Doch jetzt freuen wir uns über die Hilfe des Hafenmeisters, der mit klaren Ansagen die Mannschaft unter Kontrolle bringt. Das Anlegen gelingt beim zweiten Anlauf problemlos ohne Verlust an Crew und Seemobil.
Im Stadthafen von Templin
Das uckermärkische Städtchen Templin lohnt einen ausgiebigen Stadtspaziergang. Fast vollständig wird die Stadt durch die bis zu sieben Meter hohe Stadtmauer umschlossen. Wir folgen dem am Prenzlauer Tor beginnenden Rundweg, bevor wir ins Zentrum von Templin, dem Marktplatz mit Rathaus aufbrechen. In einer Seitengasse entdecken wir einen Naturkostanbieter und erstehen frischen Ziegenkäse und deftigen Schinken.
In Templin sollte die Gelegenheit zum Auffrischen auch des restlichen Proviants genutzt werden. Supermärkte befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Schleusenbrücke.
Wir bleiben über Nacht in Templin und starten am nächsten Morgen zur weiteren Erkundung der Templiner Gewässer. Weiter als bis nach Templin sind wir mit einem Boot zuvor noch nie gekommen. Dahinter sollen sich wunderbar klare Seen befinden, wurde uns berichtet. Und was böte sich besser an, als diese mit dem Seemobil, einem Badeschiff par excellence, zu erkunden. Der Templiner See ist von dichtem Wald umgeben und zieht sich schlauchförmig auf drei Kilometern vor uns hin. Am Bruchsee müssen wir uns entscheiden, in östlicher Richtung zum Fährsee oder in Richtung Gleuensee nach Norden. Wir beschließen erst den Fährsee zu erkunden und nach einem Badestopp zum Gleuensee zu fahren.
Lieber Vorsicht als einen Schaden am Boot
Doch ehe wir in den Föhrsee einfahren können, versperrt eine Brücke unsere Einfahrt. Laut Karte sollte die Durchfahrt knapp passen. Wir zweifeln lange und fahren in Schritttempo an die Brücke heran, nicht ohne zuvor Gegenverkehr durch das hier kreuzende Fahrgastschiff ausgeschlossen zu haben. Ein Mitfahrer wird auf dem Dach postiert und peilt die Durchfahrtshöhe. Wer hätte das gedacht, es passt tatsächlich; geschmeidig gleitet das Gefährt durch die schmale Brückendurchfahrt. Wir ankern in einer nahen Bucht, schneiden frischen Templiner Kuchen an und machen es uns gemeinsam auf dem Oberdeck gemütlich. Herrlich, mitten auf dem See sitzen, von oben auf die Umgebung schauen und die Zeit genießen. Diese Aussicht bietet kein Panoramarestaurant.
Morgenpanorama
Von hier gehen wir nicht mehr fort. Also bleiben wir die Nacht über vor Anker. Am nächsten Morgen steigt Frühnebel aus Wald und Gewässer empor. Ein Wahnsinnspanorama, wir ganz allein auf dem weiten See. Wir frühstücken gemütlich und wollen noch einmal die Wasserqualität testen. Dafür verholen wir uns in den Gleuensee und werfen das seemobileigene Wassertrampolin in den See. Mutige voran, und bald tümmelt sich die gesamte Mannschaft im See – was für ein Spaß. Ausgetobt und zufrieden starten wir am frühen Nachmittag die Maschinen, bunkern noch einmal Wasser an der kleinen Marina am Röddelinsee und fahren Richtung Zehdenick.
An der Marienthalschleuse holt uns die Dämmerung ein, sodass wir über Nacht bleiben. Früh am Morgen, zur ersten Schleusung, sind wir an Deck und informieren den Schleusenwärter, dass wir die Wentower Gewässer erkunden möchten. Er ermahnt uns zur Rückkehr bis zur letzten Schleusung um 16 Uhr und wünscht gute Fahrt. Die Strecke führt erst durch ein schmales Kanalstück, bei dem unsere Terrasse gefühlsmäßig die gesamte Breite einnimmt und danach über weite Seen, an deren Ufer viele große Hausboote als stationäre Feriendomizile dienen. Kurz vor 16 Uhr sind wir wieder an der Schleuse und gelangen so am frühen Abend zurück nach Zehdenick.
Am letzten Abend dinieren wir zur Feier des Tages im Restaurant der Marina Zehdenick „Alter Hafen“. Das Restaurant ist gut gefüllt und wir genießen regionale Spezialitäten von Ziegenkäse bis Forelle und Zander. In gemütlicher Runde verdrängen wir schnell den Gedanken daran, das Seemobil am nächsten Morgen verlassen zu müssen. Lieber planen wir schon den nächsten gemeinsamen Urlaub an Bord der schwimmenden Ferienwohnung.
—
Dieser Text stammt aus einer älteren Ausgabe vom Magazin Seenland und wurde 2023 aktualisiert. Das Seemobil ist nicht mehr mietbar. Hier eine Auswahl an mietbaren Booten in der Region.
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