Hausboot mieten an der Müritz – Von der Müritz ins Havelland

By Published On: 1. Februar 2023

Eine Crew, eine Yacht und ein Ziel: Urlaub von der Großstadt und ein Hausboot mieten an der Müritz. Von Rechlin bis nach Werder bestimmt der Lauf der Havel unsere Reise. Vor den Toren Berlins finden wir, was wir suchen: Entschleunigung und Ruhe.

Von der Badeplattform ins klare Wasser springend genießen wir die Abkühlung in der Kleinen Müritz. Perlen aus Wasser tänzeln am goldgelben Rumpf des Seepferdchens und vereinen sich mit kristallklaren Wellen, die sanft den Bug umspülen. Die Sonne steht tief am Horizont und spiegelglatt breitet sich die Kleine Müritz vor uns aus.

Noch liegt unsere 11-Meter-Yacht längsseits des Stegs in Rechlin, bevor es auf unseren einwöchigen Törn nach Werder bei Berlin auf einem gemieteten Hausboot an der Müritz geht. Hier am südlichen Ausläufer der Müritz betreibt Mike Keser mit seiner neuen Flotte aus Charter­yachten einen von insgesamt drei Stützpunkten. Mehr als 20 der holländischen Stahlboote gehören zu seiner seit 2010 ständig wachsenden Flotte. Viele davon mit goldgelbem Rumpf, der mit dem weißen Deckaufbau perfekt harmoniert und einen neuen Farbakzent aufs Wasser bringt.

Allen Booten ist der Name Seepferdchen zu eigen, …

… gefolgt von der Nummer der Yacht. Bisher hat der ausgefallene Bootsname Mike Keser nur Glück gebracht: erst in seiner Karriere als Segler im Optimist und 49er und nun im Chartergeschäft. Unterstützt wird er dabei von seiner Familie. Seit sein Vater Gerhard Keser in den 1960er-Jahren als Automechanikergeselle aus Schwaben nach Berlin kam, ist die Familie eine feste Größe im Berliner Wassersport. Neben dem großen Bootscenter in Berlin-Spandau verfügt Bootscharter Keser über Standorte in Werder und Rechlin. In naher Zukunft ist ein eigener Hafen auf der Rechlin gegenüberliegenden Seite der Müritz geplant. Dort hat die Familie ein großes Grundstück erworben und plant den Bau einer neuen Hafenanlage mit allem, was das Bootsfahrerherz begehrt.

Viele Hausboote und Motoryachten queren die Seen der Kleinseenplatte im Sommer. © Magazin Seenland

Hausbootrennen auf dem Lehnitzsee: Nach langer Kanalfahrt die erste Gelegenheit dazu.

Auch privat hat es die Familie hier ins schöne Mecklenburg gezogen. Firmengründer Gerhard und seine Frau Petra haben sich in Vipperow niedergelasen. Mit Leidenschaft umsorgen sie die Charter­gäste ihres Sohnes im Yachthafen Rechlin. Es ist ihnen anzumerken, mit welcher Lebensfreude sie für den Wassersport brennen.

Auch wir genießen den Plausch mit den beiden auf der Terrasse des Yachthafens Rechlin. Bootsübergabe und Einweisung erfolgen schnell und lassen keine Fragen offen. So können wir kurz nach Ankunft das Schiff beziehen und den heißen Julitag mit einem Bad in der Müritz krönen. Zu Abend essen wir im Restaurant des Ferienzentrums.

Beim Abendspaziergang über die Steganlage stolpern wir am Kopfsteg förmlich in die grillende Bootsbesatzung der „Müritzer on Tour“. Eine fröhliche Runde Einheimischer, die das Wochenende auf dem Boot verbringen. Schnell entwickelt sich ein netter Plausch und wir kommen nicht drumherum, den heimischen „Schlappmann“ – Schnaps mit Sardelle – zu verkosten. So gestärkt steht einer geruhsamen Nacht nichts im Weg.

Sonntag: Sonnen-Tag

Es gibt doch nichts Schöneres als ge­plant nichts zu tun. Der Sonntag beginnt so wie der Samstag endete: wolkenloser Himmel und schon am morgen Temperaturen, bei denen wir im T-Shirt ins Hafengebäude spazieren. Also wird unser Sonntag ein Sonnen-Tag. Wir starten den Motor, nur um uns einige hundert Meter weiter auf die Kleine Müritz zu verholen. Vor der Rechlin vorgelagerten Insel Burgwall wird der Anker geworfen, die Handtücher auf dem Vordeck platziert und die Sonnenmilch gut verteilt. Herrlich!

Montag: Strahlend blau bis dunkelduster

Der Montag startet wie vom Wetterbericht angesagt: Grau und mit Nieselregen. Uns ist die Abkühlung ganz recht. Zum Nachmittag sind durchziehende Gewitter angesagt. Ein Grund mehr für uns, schon kurz nach dem Frühstück unsere Reise zu starten. Die Fender werden eingeholt, Leinen klariert und es wird Kurs auf die Müritz-Havel-Wasserstrecke genommen. Die acht Kilometer bis zur Schleuse Mirow entsprechen einer knappen Stunde Fahrt. Die trüben Aussichten verschaffen uns jedoch einen vorderen Schleusenwartestand – kaum Betrieb. So passieren wir schnell die Schleuse und biegen in den Stichkanal nach Mirow ab. Hier am Hafen auf der Schlossinsel möchten wir vor dem immer näher kommenden Gewitter Schutz suchen. Eigentlich dachten wir auch den Kirchturm zu besteigen und die schöne Aussicht zu genießen – doch diese Ansinnen fegt die erste Sturmböhe hinweg.

Alle unter Deck in Mirow

Kaum haben wir festgemacht, trommeln die Ösen der Fahnen heftig gegen die Masten im Hafen, die Boote schaukeln lustig vor sich hin und erste Regenschauer gehen auf die Schiffe nieder. Schnell wird alles wetterfest klariert, die Stühle am Steuerstand unter der Persenning verstaut, der Tisch umgedreht, um keinen Windfang zu bieten, und die Abfenderung rund ums Boot nochmals überprüft. Unter Deck fühlen wir uns sicher und spielen einige Runden Skat. So schnell wie das Gewitter kam, ist es auch schon wieder vorbei. Es klart auf, der Kirchturm kann doch noch erklommen und ein Blick ins Welcome Center des Tourismusverbandes im restaurierten Kavalierhaus geworfen werden.

Dominierte die Ruhe den Vortag, treibt uns heute die Eile an. Schließlich ist diese Fahrt eine Einwegtour. Wir mieten unser Hausboot an der Müritz und die Bootsabgabe ist exakt in einer Woche um 9 Uhr in Werder terminiert. Nun ist schon Montag und von den 195 Kilometern und 15 Schleusen sind erst eine Schleuse und 11,4 Kilometer zurückgelegt. Nach dem Rundgang über die Insel legen wir flink ab und setzen unsere Fahrt in Richtung Zootzensee fort.

Schweres Wetter an Bord des Hausbootes

Kaum haben wir die Seeeinfahrt passiert, rauschen erneut dunkle Gewitterwolken heran und das Donnergrollen wird vernehmbar. Rasch nimmt die Folge von Blitz und Donner zu und an Bord entbrennt eine hitzige Debatte über die Wirkung des Faradayschen Käfigs unter Regen benetzter Persenning und im Bootsinneren. Auch das zur Hilfe herbeigerufene Wikipedia bringt kein eindeutiges Ergebnis, wohl aber die Seite „regenradar.de“: Sobald das heraufgezogene Gewitter überstanden ist, soll der Tag laut Wetterradar regenfrei bleiben. Zunächst steuern wir angesichts der Naturgewalten eine kleine windgeschütze Bucht, weit unter Land, an und werfen zwischen zwei Blitzen den Anker. Die Luken werden dicht gemacht und die Skatkarten herausgeholt.

Nach einer Dreiviertelstunde ist auch dieses Naturschauspiel vorbei. Die Karten und Spielstände werden sorgsam verwahrt und bei wolkigem aber trockenem Wetter passieren wir die Schleusen Diemitz und Canow ohne größere Verzögerungen. Das Wetter hält wohl die anderen Bootsbesatzungen in den Häfen. Nach all der Eile und Aufregung gönnen wir uns eine kurze Rast im Biergarten am Anleger von Boot und Mehr in Kleinzerlang. Das heutige Tagesziel ist jedoch der Yachthafen in Fürstenberg an der Havel. Davor liegen noch die Schleusen Strasen und Steinhavelmühle sowie die automatische Schleuse in Fürstenberg. Auch wenn die Automatikschleusen nicht immer ein Segen sind, in unserem Fall hilft uns die etwas längere Öffnungszeit, das Tagesziel noch zu erreichen.

Anlegen am Stadthafen in Fürstenberg

Kurz vor Sonnenuntergang steuern wir auf den Yachthafen zu. Viele Boxen sind schon belegt und die Mannschaften klönen an Deck. Nun heißt es also mit Bedacht den Liegeplatz wählen, Windrichtung beachten und gefühlvoll und doch beherzt die passende Box belegen. Schon beim Annähern stehen unsere Bootsnachbarn parat. Es sind freundliche Menschen, die sofort eine hilfreiche Hand anbieten. Gemeinsam ist das Boot schnell und sicher vertäut und wir freuen uns auf ein kühles Bier und einen dampfenden Teller in der Hafengaststätte. Doch daraus wird nichts. Freundlich, aber bestimmt werden wir am Eingang abgewiesen – Feierabend um 21 Uhr.

Der gut gemeinte Rat lautet, es beim Italiener an der B96 zu versuchen. An der vielbefahrenen Straße, die den Ortskern unsanft durchschneidet, entdecken wir auf der linken Straßenseite die Pizzeria „Bella Napoli“. Von außen betrachtet macht das Restaurant keinen schönen Eindruck. Aber als wir den Innenhof betreten, sind wir positiv überrascht: Ein dutzend gut besuchte Tische sind in einem kleinen Innenhof aufgebaut, die Pizza ist frisch zubereitet und das Bier angenehm kühl. So verbringen wir den Abend ganz anders als geplant, werden aber nicht enttäuscht.

Das Hausboot namens Seepferdechen ist an der Müritz gemietet und ankert auf seiner Reise nach Werder auf einem See in Brandenburg.

Pause vom Yachtalltag: Ankern vor Werder (Havel)

Dienstag: Immer entlang der Havel

Am nächsten Morgen beginnt unsere lange Reise auf der Havel stromabwärts. Dem mäandernden Flusslauf folgend passieren wir einen Teil des Naturparks Uckermärkische Seen. Hinter der Schleuse Regow drehen wir bei und machen kurz hinter der Schleusenwartestelle fest. Direkt hier am Havelufer gibt es den unserer Meinung nach besten Ziegenkäse in Brandenburg. Also stapfen wir durch hohes Gras zum Hof des kleinen Anwesens. Im Hofladen versorgt uns die Juniorchefin mit Leckereien von Frischkäse, Weichkäse und Schnittkäse. Die einladenden Namen der Spezialitäten wie Herzensbrecher und Scharfmacher, Regow Rouge oder Hugenottenlaib tragen ihren Teil dazu bei. Die bisher als Schleusenhof Regow bekannte Ziegerei hat sich im vergangenen Jahr den neuen Namen „Capriolenhof“ gegeben, benannt nach den für Ziegen typischen Luftsprüngen. Geöffnet ist der Hof in der Saison täglich von 11 bis 20 Uhr.

Weiter geht es durch ein wald- und wiesenreiches Gebiet. Von Menschen nur dünnbesiedelt, mal friedlich beweidet, mal abgeschirmt durch Zäune als militärisches Sperrgebiet der russischen Hinterlassenschaften. Erst bei Mildenberg und dem dortigen Ziegeleipark nehmen wir die Zivilisation wieder wahr. Beidseits des Ufers zeugen einfache alte Arbeiterhäuser, alte Ziegelhäfen und Tonstiche von der industriellen Vergangenheit dieser Region. Zehdenick ist die Hauptstadt der Tonstichlandschaft.

Ziegeleipark Mildenberg

Der Spruch „Berlin ist aus dem Kahn gebaut“ begründet sich in dieser Gegend. Beim Bau der Eisenbahnlinie nach Templin wurde der begehrte Baustoff erstmals 1888 entdeckt. Es entwickelten sich rasant mehr als 30 Ziegeleien mit einer Gesamtleistung von mehr als 700 Millionen Steinen – eine der größten Produktionsstätten in Europa, die nach 1989/90 fast vollständig zusammenbrach. An diese wechselvolle Geschichte erinnert der sehr sehenswerte Ziegeleipark Mildenberg. Zwei Häfen stehen hier dem Wasserwanderer als Rast und Anlegemöglichkeit zur Verfügung. Wir legen im neueren der beiden Häfen an, reichlich Platz steht dort bereit.
Aber auch die Bekleidungsindustrie war zu DDR-Zeiten in Zehdenick beheimatet. Heute knüpft die Firma Trippen an diese Tradition an und fertigt ihre weltweit gefragten Designerschuhe in Zehdenick. Immer samstags von 10 bis 16 Uhr ist das Outlet offen.

Leider ist erst Dienstag und so müssen wir unseren Shoppingausflug vertagen. Zudem drängt die Zeit. Die Schleuse Bischofswerder passieren wir bereits zu fortgeschrittener Stunde. Trotz einsetzender Dämmerung öffnen sich sogar noch die Tore der Schleuse in Liebenwalde. Doch die Nacht legt sich schneller als erwartet über unser Boot. Noch beim Schleusengang wird aus dem Blau des Tages das Schwarz der Nacht. Wir entscheiden uns, die Fahrt hier zu unterbrechen und nach Ausfahrt aus der Schleuse an der Wartestelle zur Nacht festzumachen. Wir sind nicht die einzigen, die hier gestrandet sind. Ein denkbar ungünstiger Ort, denn die Wartestelle weist keine Verbindung zum Land auf. Also bleiben wir auf unserem Boot und gehen früh zu Bett.

Mittwoch: Oranje und der lange Weg zur Currywurst

Kurz nach der Schleuse Liebenwalde biegen wir in den Oder-Havel-Kanal ein. Eine vielbefahrene Wasserstraße, gern genutzt von Schubverbänden. Der ausschlaggebende Grund dafür, dass ab hier ein Bootsführerschein für das Befahren vorgeschrieben ist. Nach knapp 15 Kilometer Fahrt biegen wir in den nach Oranienburg führenden Stichkanal rechts ab. Starker Wind steht auf dem Schlosshafen. Deshalb suchen wir uns eine windabgewandte, freie Box, um nicht unter Land gedrückt zu werden, und legen sicher an. Schloss und Park Oranienburg haben wir auf früheren Fahrten schon besucht. Heute möchten wir das Oranienburger Umland per Rad erkunden. Bei der Touristinfo sind alle Räder schon ausgeliehen, so dass wir weiter zum „Hotel an der Havel“ müssen und dort zwei Räder für je zehn Euro ausleihen. Keine Schmuckstücke, aber wir kommen voran. Unsere Route führt ins benachbarte Kremmen und ins kleine Örtchen Sommerswalde, wo Nachbauten Berliner Sehenswürdigkeiten von einer Berliner Familie Ende des vorletzten Jahrhunderts erbaut wurden.

Anfangs führt die Fahrt auf Radwegen entlang, dann leider längs der Landstraße. In Sommerswald residiert mittlerweile ein Meditationszentrum im
Haupthaus, dessen Architektur an den Berliner Reichstag erinnern soll. Der Pferdestall erinnert an das Rote Rathaus. Die Bauherren, Familie Sommer, besaßen bis 1891 wertvolle Grundstücke rund um das Brandenburger Tor in Berlin. Von den Verkaufserlösen wurde Schloss Sommerswalde gegründet. Mittlerweile gibt es die Kuppel auf dem Haupthaus nicht mehr und auch sonst harrt das Anwesen weiterer Sanierungsmaßnahmen. Lange halten wir uns also nicht in Sommerswalde auf, sondern setzen unsere Fahrt nach Kremmen fort. Ab Sommerswalde nutzen wir schließlich einen herrlichen Radweg durch Wälder und Wiesen.

Scheunenviertel in Kremmen

In Kremmen besichtigen wir das Scheunenviertel, wo heute Restaurants und hübsche Läden mit Kunsthandwerk zum Besuch einladen. Die Seelodge, unser Etappenziel, ist leider für eine private Feier geschlossen. Schließlich entdecken wir einen Imbisswagen neben dem Supermarkt, um unseren Hunger zu stillen. Gestärkt mit Currywurst haben wir genug Wagemut, einem alten Steinwegweiser auf dem Weg nach Oranienburg zu folgen. Die Asphaltstraße wandelt sich schnell in einen Waldweg. Mitten durch den Wald gelangen wir zurück nach Sommerswalde und von dort nach Oranienburg.

Kurz vor vier Uhr sind wir wieder im Schlosshafen. Wir beschließen, die Fahrt bis zur Havelbaude in zehn Kilometern Entfernung noch heute zu absolvieren. Dort angekommen empfängt uns Hafenmeister Peter direkt am Steg. Der Hafen sei gut gefüllt, unterrichtet er uns, aber wenn wir mögen, weist er uns gern auch einen Liegeplatz im Hafenbecken zu. Wir lehnen dankend ab. Hier am Außensteg ist es aufgrund der Lastkähne etwas welliger als im Hafenbecken, aber das stört uns nicht, denn wir wollen morgens gleich ohne großes Ablegemanöver starten. Peter hat es der Liebe wegen hierher verschlagen. Seitdem ist das Hafenamt, eine Blockhütte am anderen Ende der Anlage, sein Reich. Hier gibt es alles, was des Wassersportlers Herz begeht. Die dem Hafen namensgebende Havelbaude steht etwas oberhalb der Havel auf einer Anhöhe. Unter Kastanienbäumen befindet sich ein Biergarten mit Blick auf die Boote und dahinter das großzügige einstöckige Restaurant, das nur noch wenig mit einer Baude gemeinsam hat. Hier werden frische Produkte zu feinsten Speisen zubereitet, wer möchte bis 22 Uhr abends. Wir genießen frische Pfifferlinge im Biergarten und lassen den Tag zufrieden ausklingen.

Am Wochenende kreuzen besonders viele Segler auf den Havelseen.

Am Wochenende kreuzen besonders viele Segler auf den Havelseen.

Donnerstag: Stahl und rote Mauern

Peter bringt morgens die Brötchen ans Boot. So gestärkt startet die Crew gut gelaunt in den Tag. Hennigsdorf empfängt uns Wasserwanderer mit Industrie-Charme und Bergen von Altmetall. Niederneuendorf und Heiligensee sind wesentlich naturnaher, aber auch geprägt von Urbanität. Hier zweigt der Tegeler See von unserer eigentlichen Fahrroute ab. Wir beschließen, einmal rund um den Tegler See zu fahren bis hin zur Greenwich Promenade in Tegel, einer beliebten Flaniermeile am Seeufer. Weiter geht es in Richtung Spandau. Vor der Spandauer Schleuse legen wir links am Bootshaus bei den Wasserfreunden Spandau 04 an. Bei der netten Hafenmeisterin melden wir uns als Kurzlieger und dürfen für den Besuch der Zitadelle Spandau dort bleiben. Wir klarieren unsere Fender auf Höhe des sehr tief liegenden Stegs und besuchen die bedeutende Festung inklusive des Burgturms.

Drei Stunden später starten wir unsere Fahrt mit der Schleusung in Spandau. Kurz hinter Spandau weitet sich die Havel auf Seebreite. Der Grunewald auf der einen, an der gegenüberliegenden Uferseite Anwesen mit Villen. Wir passieren die herrschaftliche Kolonie auf Schwanenwerder und lassen den Wannsee an Backbord liegen. Auf der 64 Hektar großen Pfaueninsel bewundern wir das im romantischen Ruinenstil gebaute weiße Schlösschen und treten damit ein ins preußische Arkadien rings um Postdam. Hier säumen historische Bauwerke die Ufer, angelegt in Sichtachsen und mit repräsentativen Parks. Hinter der Glienicker Brücke erreichen wir die Potsdamer Gewässer. Unterhalb des roten Daches des Hans-Otto-Theaters suchen wir einen Liegeplatz im Yachthafen am Tiefen See. Von hier aus ist es nur ein kurzer Fußmarsch zu den Potsdamer Sehenswürdigkeiten. Den Abend verbringen wir an Deck des Seepferdchens mit Blick auf den Flatow-Turm im Park Babelsberg.

Freitag: Zwischen sanften Hügeln zu den Obstgärten

20 Kilometer bis zum Yachthafen Ringel in Töplitz. Wir haben alle Zeit der Welt für die letzte Etappe. Das Wetter zeigt sich wieder von seiner schönsten Seite. Ein Abstecher auf den Glindower See führt uns durch Zufall zum kleinen Anleger des Fruchthofs in Petzow. Heimischer Sanddorn, frischer Erdbeerkuchen und Obstweine werden dort angeboten – ein Besuch, der sich lohnt.
Bei strahlend blauem Himmel werfen wir vor der Insel Werder den Anker und springen ins kühle Nass. Der goldgelbe Rumpf spiegelt die Silouhette von Werder wieder. Nach ausgiebiger Mittagspause drehen wir bei und fahren zum Yachthafen Porta Sophia. Hier befinden sich mit dem Zeichen der Gelben Welle markierte Gastliegeplätze. Für einen Altstadtspaziergang lassen wir das Seepferdchen hier liegen. Entlang der Uferlinie wandern wir zurück bis zur Insel Werder. Rund um die kleine Altstadt führt ein lohnenswerter Inselrundweg. Die Inselstadt Werder, im Herzen eines großen Obstbaugebietes gelegen, bezaubert mit kopfsteingepflasterten Gässchen und kleinen Restaurants. Ende April einen jeden Jahres verwandelt sich die gesamte Insel zum Baumblütenfest in eine riesige Menschentraube, die dem Obstwein huldigt.

Die Handvoll Kilometer bis nach Töplitz genießen wir an Deck im warmen Licht der Abendsonne. Mit vielen neuen Eindrücken und gut erholt legen wir das Seepferdchen am Steg von Boots­charter Keser an. Die Nacht verbringen wir noch an Bord, bevor am nächsten Morgen die Übergabe erfolgt und wir mit dem Shuttlebus von Bootscharter Keser zurück zu unserem Auto nach Rechlin gefahren werden. Im Yachthafen Rechlin blicken wir wehmütig auf die sanft darliegende Müritz. Wie gern würden wir jetzt noch einmal die Reise zurück nach Werder starten. Wenn nicht jetzt, dann bestimmt im nächsten Jahr.

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Hausboot mieten an der Müritz – Von der Müritz ins Havelland
By |15,2 min read|3000 words|Published On: 1. Februar 2023|

Eine Crew, eine Yacht und ein Ziel: Urlaub von der Großstadt und ein Hausboot mieten an der Müritz. Von Rechlin bis nach Werder bestimmt der Lauf der Havel unsere Reise. Vor den Toren Berlins finden wir, was wir suchen: Entschleunigung und Ruhe.

Von der Badeplattform ins klare Wasser springend genießen wir die Abkühlung in der Kleinen Müritz. Perlen aus Wasser tänzeln am goldgelben Rumpf des Seepferdchens und vereinen sich mit kristallklaren Wellen, die sanft den Bug umspülen. Die Sonne steht tief am Horizont und spiegelglatt breitet sich die Kleine Müritz vor uns aus.

Noch liegt unsere 11-Meter-Yacht längsseits des Stegs in Rechlin, bevor es auf unseren einwöchigen Törn nach Werder bei Berlin auf einem gemieteten Hausboot an der Müritz geht. Hier am südlichen Ausläufer der Müritz betreibt Mike Keser mit seiner neuen Flotte aus Charter­yachten einen von insgesamt drei Stützpunkten. Mehr als 20 der holländischen Stahlboote gehören zu seiner seit 2010 ständig wachsenden Flotte. Viele davon mit goldgelbem Rumpf, der mit dem weißen Deckaufbau perfekt harmoniert und einen neuen Farbakzent aufs Wasser bringt.

Allen Booten ist der Name Seepferdchen zu eigen, …

… gefolgt von der Nummer der Yacht. Bisher hat der ausgefallene Bootsname Mike Keser nur Glück gebracht: erst in seiner Karriere als Segler im Optimist und 49er und nun im Chartergeschäft. Unterstützt wird er dabei von seiner Familie. Seit sein Vater Gerhard Keser in den 1960er-Jahren als Automechanikergeselle aus Schwaben nach Berlin kam, ist die Familie eine feste Größe im Berliner Wassersport. Neben dem großen Bootscenter in Berlin-Spandau verfügt Bootscharter Keser über Standorte in Werder und Rechlin. In naher Zukunft ist ein eigener Hafen auf der Rechlin gegenüberliegenden Seite der Müritz geplant. Dort hat die Familie ein großes Grundstück erworben und plant den Bau einer neuen Hafenanlage mit allem, was das Bootsfahrerherz begehrt.

Viele Hausboote und Motoryachten queren die Seen der Kleinseenplatte im Sommer. © Magazin Seenland

Hausbootrennen auf dem Lehnitzsee: Nach langer Kanalfahrt die erste Gelegenheit dazu.

Auch privat hat es die Familie hier ins schöne Mecklenburg gezogen. Firmengründer Gerhard und seine Frau Petra haben sich in Vipperow niedergelasen. Mit Leidenschaft umsorgen sie die Charter­gäste ihres Sohnes im Yachthafen Rechlin. Es ist ihnen anzumerken, mit welcher Lebensfreude sie für den Wassersport brennen.

Auch wir genießen den Plausch mit den beiden auf der Terrasse des Yachthafens Rechlin. Bootsübergabe und Einweisung erfolgen schnell und lassen keine Fragen offen. So können wir kurz nach Ankunft das Schiff beziehen und den heißen Julitag mit einem Bad in der Müritz krönen. Zu Abend essen wir im Restaurant des Ferienzentrums.

Beim Abendspaziergang über die Steganlage stolpern wir am Kopfsteg förmlich in die grillende Bootsbesatzung der „Müritzer on Tour“. Eine fröhliche Runde Einheimischer, die das Wochenende auf dem Boot verbringen. Schnell entwickelt sich ein netter Plausch und wir kommen nicht drumherum, den heimischen „Schlappmann“ – Schnaps mit Sardelle – zu verkosten. So gestärkt steht einer geruhsamen Nacht nichts im Weg.

Sonntag: Sonnen-Tag

Es gibt doch nichts Schöneres als ge­plant nichts zu tun. Der Sonntag beginnt so wie der Samstag endete: wolkenloser Himmel und schon am morgen Temperaturen, bei denen wir im T-Shirt ins Hafengebäude spazieren. Also wird unser Sonntag ein Sonnen-Tag. Wir starten den Motor, nur um uns einige hundert Meter weiter auf die Kleine Müritz zu verholen. Vor der Rechlin vorgelagerten Insel Burgwall wird der Anker geworfen, die Handtücher auf dem Vordeck platziert und die Sonnenmilch gut verteilt. Herrlich!

Montag: Strahlend blau bis dunkelduster

Der Montag startet wie vom Wetterbericht angesagt: Grau und mit Nieselregen. Uns ist die Abkühlung ganz recht. Zum Nachmittag sind durchziehende Gewitter angesagt. Ein Grund mehr für uns, schon kurz nach dem Frühstück unsere Reise zu starten. Die Fender werden eingeholt, Leinen klariert und es wird Kurs auf die Müritz-Havel-Wasserstrecke genommen. Die acht Kilometer bis zur Schleuse Mirow entsprechen einer knappen Stunde Fahrt. Die trüben Aussichten verschaffen uns jedoch einen vorderen Schleusenwartestand – kaum Betrieb. So passieren wir schnell die Schleuse und biegen in den Stichkanal nach Mirow ab. Hier am Hafen auf der Schlossinsel möchten wir vor dem immer näher kommenden Gewitter Schutz suchen. Eigentlich dachten wir auch den Kirchturm zu besteigen und die schöne Aussicht zu genießen – doch diese Ansinnen fegt die erste Sturmböhe hinweg.

Alle unter Deck in Mirow

Kaum haben wir festgemacht, trommeln die Ösen der Fahnen heftig gegen die Masten im Hafen, die Boote schaukeln lustig vor sich hin und erste Regenschauer gehen auf die Schiffe nieder. Schnell wird alles wetterfest klariert, die Stühle am Steuerstand unter der Persenning verstaut, der Tisch umgedreht, um keinen Windfang zu bieten, und die Abfenderung rund ums Boot nochmals überprüft. Unter Deck fühlen wir uns sicher und spielen einige Runden Skat. So schnell wie das Gewitter kam, ist es auch schon wieder vorbei. Es klart auf, der Kirchturm kann doch noch erklommen und ein Blick ins Welcome Center des Tourismusverbandes im restaurierten Kavalierhaus geworfen werden.

Dominierte die Ruhe den Vortag, treibt uns heute die Eile an. Schließlich ist diese Fahrt eine Einwegtour. Wir mieten unser Hausboot an der Müritz und die Bootsabgabe ist exakt in einer Woche um 9 Uhr in Werder terminiert. Nun ist schon Montag und von den 195 Kilometern und 15 Schleusen sind erst eine Schleuse und 11,4 Kilometer zurückgelegt. Nach dem Rundgang über die Insel legen wir flink ab und setzen unsere Fahrt in Richtung Zootzensee fort.

Schweres Wetter an Bord des Hausbootes

Kaum haben wir die Seeeinfahrt passiert, rauschen erneut dunkle Gewitterwolken heran und das Donnergrollen wird vernehmbar. Rasch nimmt die Folge von Blitz und Donner zu und an Bord entbrennt eine hitzige Debatte über die Wirkung des Faradayschen Käfigs unter Regen benetzter Persenning und im Bootsinneren. Auch das zur Hilfe herbeigerufene Wikipedia bringt kein eindeutiges Ergebnis, wohl aber die Seite „regenradar.de“: Sobald das heraufgezogene Gewitter überstanden ist, soll der Tag laut Wetterradar regenfrei bleiben. Zunächst steuern wir angesichts der Naturgewalten eine kleine windgeschütze Bucht, weit unter Land, an und werfen zwischen zwei Blitzen den Anker. Die Luken werden dicht gemacht und die Skatkarten herausgeholt.

Nach einer Dreiviertelstunde ist auch dieses Naturschauspiel vorbei. Die Karten und Spielstände werden sorgsam verwahrt und bei wolkigem aber trockenem Wetter passieren wir die Schleusen Diemitz und Canow ohne größere Verzögerungen. Das Wetter hält wohl die anderen Bootsbesatzungen in den Häfen. Nach all der Eile und Aufregung gönnen wir uns eine kurze Rast im Biergarten am Anleger von Boot und Mehr in Kleinzerlang. Das heutige Tagesziel ist jedoch der Yachthafen in Fürstenberg an der Havel. Davor liegen noch die Schleusen Strasen und Steinhavelmühle sowie die automatische Schleuse in Fürstenberg. Auch wenn die Automatikschleusen nicht immer ein Segen sind, in unserem Fall hilft uns die etwas längere Öffnungszeit, das Tagesziel noch zu erreichen.

Anlegen am Stadthafen in Fürstenberg

Kurz vor Sonnenuntergang steuern wir auf den Yachthafen zu. Viele Boxen sind schon belegt und die Mannschaften klönen an Deck. Nun heißt es also mit Bedacht den Liegeplatz wählen, Windrichtung beachten und gefühlvoll und doch beherzt die passende Box belegen. Schon beim Annähern stehen unsere Bootsnachbarn parat. Es sind freundliche Menschen, die sofort eine hilfreiche Hand anbieten. Gemeinsam ist das Boot schnell und sicher vertäut und wir freuen uns auf ein kühles Bier und einen dampfenden Teller in der Hafengaststätte. Doch daraus wird nichts. Freundlich, aber bestimmt werden wir am Eingang abgewiesen – Feierabend um 21 Uhr.

Der gut gemeinte Rat lautet, es beim Italiener an der B96 zu versuchen. An der vielbefahrenen Straße, die den Ortskern unsanft durchschneidet, entdecken wir auf der linken Straßenseite die Pizzeria „Bella Napoli“. Von außen betrachtet macht das Restaurant keinen schönen Eindruck. Aber als wir den Innenhof betreten, sind wir positiv überrascht: Ein dutzend gut besuchte Tische sind in einem kleinen Innenhof aufgebaut, die Pizza ist frisch zubereitet und das Bier angenehm kühl. So verbringen wir den Abend ganz anders als geplant, werden aber nicht enttäuscht.

Das Hausboot namens Seepferdechen ist an der Müritz gemietet und ankert auf seiner Reise nach Werder auf einem See in Brandenburg.

Pause vom Yachtalltag: Ankern vor Werder (Havel)

Dienstag: Immer entlang der Havel

Am nächsten Morgen beginnt unsere lange Reise auf der Havel stromabwärts. Dem mäandernden Flusslauf folgend passieren wir einen Teil des Naturparks Uckermärkische Seen. Hinter der Schleuse Regow drehen wir bei und machen kurz hinter der Schleusenwartestelle fest. Direkt hier am Havelufer gibt es den unserer Meinung nach besten Ziegenkäse in Brandenburg. Also stapfen wir durch hohes Gras zum Hof des kleinen Anwesens. Im Hofladen versorgt uns die Juniorchefin mit Leckereien von Frischkäse, Weichkäse und Schnittkäse. Die einladenden Namen der Spezialitäten wie Herzensbrecher und Scharfmacher, Regow Rouge oder Hugenottenlaib tragen ihren Teil dazu bei. Die bisher als Schleusenhof Regow bekannte Ziegerei hat sich im vergangenen Jahr den neuen Namen „Capriolenhof“ gegeben, benannt nach den für Ziegen typischen Luftsprüngen. Geöffnet ist der Hof in der Saison täglich von 11 bis 20 Uhr.

Weiter geht es durch ein wald- und wiesenreiches Gebiet. Von Menschen nur dünnbesiedelt, mal friedlich beweidet, mal abgeschirmt durch Zäune als militärisches Sperrgebiet der russischen Hinterlassenschaften. Erst bei Mildenberg und dem dortigen Ziegeleipark nehmen wir die Zivilisation wieder wahr. Beidseits des Ufers zeugen einfache alte Arbeiterhäuser, alte Ziegelhäfen und Tonstiche von der industriellen Vergangenheit dieser Region. Zehdenick ist die Hauptstadt der Tonstichlandschaft.

Ziegeleipark Mildenberg

Der Spruch „Berlin ist aus dem Kahn gebaut“ begründet sich in dieser Gegend. Beim Bau der Eisenbahnlinie nach Templin wurde der begehrte Baustoff erstmals 1888 entdeckt. Es entwickelten sich rasant mehr als 30 Ziegeleien mit einer Gesamtleistung von mehr als 700 Millionen Steinen – eine der größten Produktionsstätten in Europa, die nach 1989/90 fast vollständig zusammenbrach. An diese wechselvolle Geschichte erinnert der sehr sehenswerte Ziegeleipark Mildenberg. Zwei Häfen stehen hier dem Wasserwanderer als Rast und Anlegemöglichkeit zur Verfügung. Wir legen im neueren der beiden Häfen an, reichlich Platz steht dort bereit.
Aber auch die Bekleidungsindustrie war zu DDR-Zeiten in Zehdenick beheimatet. Heute knüpft die Firma Trippen an diese Tradition an und fertigt ihre weltweit gefragten Designerschuhe in Zehdenick. Immer samstags von 10 bis 16 Uhr ist das Outlet offen.

Leider ist erst Dienstag und so müssen wir unseren Shoppingausflug vertagen. Zudem drängt die Zeit. Die Schleuse Bischofswerder passieren wir bereits zu fortgeschrittener Stunde. Trotz einsetzender Dämmerung öffnen sich sogar noch die Tore der Schleuse in Liebenwalde. Doch die Nacht legt sich schneller als erwartet über unser Boot. Noch beim Schleusengang wird aus dem Blau des Tages das Schwarz der Nacht. Wir entscheiden uns, die Fahrt hier zu unterbrechen und nach Ausfahrt aus der Schleuse an der Wartestelle zur Nacht festzumachen. Wir sind nicht die einzigen, die hier gestrandet sind. Ein denkbar ungünstiger Ort, denn die Wartestelle weist keine Verbindung zum Land auf. Also bleiben wir auf unserem Boot und gehen früh zu Bett.

Mittwoch: Oranje und der lange Weg zur Currywurst

Kurz nach der Schleuse Liebenwalde biegen wir in den Oder-Havel-Kanal ein. Eine vielbefahrene Wasserstraße, gern genutzt von Schubverbänden. Der ausschlaggebende Grund dafür, dass ab hier ein Bootsführerschein für das Befahren vorgeschrieben ist. Nach knapp 15 Kilometer Fahrt biegen wir in den nach Oranienburg führenden Stichkanal rechts ab. Starker Wind steht auf dem Schlosshafen. Deshalb suchen wir uns eine windabgewandte, freie Box, um nicht unter Land gedrückt zu werden, und legen sicher an. Schloss und Park Oranienburg haben wir auf früheren Fahrten schon besucht. Heute möchten wir das Oranienburger Umland per Rad erkunden. Bei der Touristinfo sind alle Räder schon ausgeliehen, so dass wir weiter zum „Hotel an der Havel“ müssen und dort zwei Räder für je zehn Euro ausleihen. Keine Schmuckstücke, aber wir kommen voran. Unsere Route führt ins benachbarte Kremmen und ins kleine Örtchen Sommerswalde, wo Nachbauten Berliner Sehenswürdigkeiten von einer Berliner Familie Ende des vorletzten Jahrhunderts erbaut wurden.

Anfangs führt die Fahrt auf Radwegen entlang, dann leider längs der Landstraße. In Sommerswald residiert mittlerweile ein Meditationszentrum im
Haupthaus, dessen Architektur an den Berliner Reichstag erinnern soll. Der Pferdestall erinnert an das Rote Rathaus. Die Bauherren, Familie Sommer, besaßen bis 1891 wertvolle Grundstücke rund um das Brandenburger Tor in Berlin. Von den Verkaufserlösen wurde Schloss Sommerswalde gegründet. Mittlerweile gibt es die Kuppel auf dem Haupthaus nicht mehr und auch sonst harrt das Anwesen weiterer Sanierungsmaßnahmen. Lange halten wir uns also nicht in Sommerswalde auf, sondern setzen unsere Fahrt nach Kremmen fort. Ab Sommerswalde nutzen wir schließlich einen herrlichen Radweg durch Wälder und Wiesen.

Scheunenviertel in Kremmen

In Kremmen besichtigen wir das Scheunenviertel, wo heute Restaurants und hübsche Läden mit Kunsthandwerk zum Besuch einladen. Die Seelodge, unser Etappenziel, ist leider für eine private Feier geschlossen. Schließlich entdecken wir einen Imbisswagen neben dem Supermarkt, um unseren Hunger zu stillen. Gestärkt mit Currywurst haben wir genug Wagemut, einem alten Steinwegweiser auf dem Weg nach Oranienburg zu folgen. Die Asphaltstraße wandelt sich schnell in einen Waldweg. Mitten durch den Wald gelangen wir zurück nach Sommerswalde und von dort nach Oranienburg.

Kurz vor vier Uhr sind wir wieder im Schlosshafen. Wir beschließen, die Fahrt bis zur Havelbaude in zehn Kilometern Entfernung noch heute zu absolvieren. Dort angekommen empfängt uns Hafenmeister Peter direkt am Steg. Der Hafen sei gut gefüllt, unterrichtet er uns, aber wenn wir mögen, weist er uns gern auch einen Liegeplatz im Hafenbecken zu. Wir lehnen dankend ab. Hier am Außensteg ist es aufgrund der Lastkähne etwas welliger als im Hafenbecken, aber das stört uns nicht, denn wir wollen morgens gleich ohne großes Ablegemanöver starten. Peter hat es der Liebe wegen hierher verschlagen. Seitdem ist das Hafenamt, eine Blockhütte am anderen Ende der Anlage, sein Reich. Hier gibt es alles, was des Wassersportlers Herz begeht. Die dem Hafen namensgebende Havelbaude steht etwas oberhalb der Havel auf einer Anhöhe. Unter Kastanienbäumen befindet sich ein Biergarten mit Blick auf die Boote und dahinter das großzügige einstöckige Restaurant, das nur noch wenig mit einer Baude gemeinsam hat. Hier werden frische Produkte zu feinsten Speisen zubereitet, wer möchte bis 22 Uhr abends. Wir genießen frische Pfifferlinge im Biergarten und lassen den Tag zufrieden ausklingen.

Am Wochenende kreuzen besonders viele Segler auf den Havelseen.

Am Wochenende kreuzen besonders viele Segler auf den Havelseen.

Donnerstag: Stahl und rote Mauern

Peter bringt morgens die Brötchen ans Boot. So gestärkt startet die Crew gut gelaunt in den Tag. Hennigsdorf empfängt uns Wasserwanderer mit Industrie-Charme und Bergen von Altmetall. Niederneuendorf und Heiligensee sind wesentlich naturnaher, aber auch geprägt von Urbanität. Hier zweigt der Tegeler See von unserer eigentlichen Fahrroute ab. Wir beschließen, einmal rund um den Tegler See zu fahren bis hin zur Greenwich Promenade in Tegel, einer beliebten Flaniermeile am Seeufer. Weiter geht es in Richtung Spandau. Vor der Spandauer Schleuse legen wir links am Bootshaus bei den Wasserfreunden Spandau 04 an. Bei der netten Hafenmeisterin melden wir uns als Kurzlieger und dürfen für den Besuch der Zitadelle Spandau dort bleiben. Wir klarieren unsere Fender auf Höhe des sehr tief liegenden Stegs und besuchen die bedeutende Festung inklusive des Burgturms.

Drei Stunden später starten wir unsere Fahrt mit der Schleusung in Spandau. Kurz hinter Spandau weitet sich die Havel auf Seebreite. Der Grunewald auf der einen, an der gegenüberliegenden Uferseite Anwesen mit Villen. Wir passieren die herrschaftliche Kolonie auf Schwanenwerder und lassen den Wannsee an Backbord liegen. Auf der 64 Hektar großen Pfaueninsel bewundern wir das im romantischen Ruinenstil gebaute weiße Schlösschen und treten damit ein ins preußische Arkadien rings um Postdam. Hier säumen historische Bauwerke die Ufer, angelegt in Sichtachsen und mit repräsentativen Parks. Hinter der Glienicker Brücke erreichen wir die Potsdamer Gewässer. Unterhalb des roten Daches des Hans-Otto-Theaters suchen wir einen Liegeplatz im Yachthafen am Tiefen See. Von hier aus ist es nur ein kurzer Fußmarsch zu den Potsdamer Sehenswürdigkeiten. Den Abend verbringen wir an Deck des Seepferdchens mit Blick auf den Flatow-Turm im Park Babelsberg.

Freitag: Zwischen sanften Hügeln zu den Obstgärten

20 Kilometer bis zum Yachthafen Ringel in Töplitz. Wir haben alle Zeit der Welt für die letzte Etappe. Das Wetter zeigt sich wieder von seiner schönsten Seite. Ein Abstecher auf den Glindower See führt uns durch Zufall zum kleinen Anleger des Fruchthofs in Petzow. Heimischer Sanddorn, frischer Erdbeerkuchen und Obstweine werden dort angeboten – ein Besuch, der sich lohnt.
Bei strahlend blauem Himmel werfen wir vor der Insel Werder den Anker und springen ins kühle Nass. Der goldgelbe Rumpf spiegelt die Silouhette von Werder wieder. Nach ausgiebiger Mittagspause drehen wir bei und fahren zum Yachthafen Porta Sophia. Hier befinden sich mit dem Zeichen der Gelben Welle markierte Gastliegeplätze. Für einen Altstadtspaziergang lassen wir das Seepferdchen hier liegen. Entlang der Uferlinie wandern wir zurück bis zur Insel Werder. Rund um die kleine Altstadt führt ein lohnenswerter Inselrundweg. Die Inselstadt Werder, im Herzen eines großen Obstbaugebietes gelegen, bezaubert mit kopfsteingepflasterten Gässchen und kleinen Restaurants. Ende April einen jeden Jahres verwandelt sich die gesamte Insel zum Baumblütenfest in eine riesige Menschentraube, die dem Obstwein huldigt.

Die Handvoll Kilometer bis nach Töplitz genießen wir an Deck im warmen Licht der Abendsonne. Mit vielen neuen Eindrücken und gut erholt legen wir das Seepferdchen am Steg von Boots­charter Keser an. Die Nacht verbringen wir noch an Bord, bevor am nächsten Morgen die Übergabe erfolgt und wir mit dem Shuttlebus von Bootscharter Keser zurück zu unserem Auto nach Rechlin gefahren werden. Im Yachthafen Rechlin blicken wir wehmütig auf die sanft darliegende Müritz. Wie gern würden wir jetzt noch einmal die Reise zurück nach Werder starten. Wenn nicht jetzt, dann bestimmt im nächsten Jahr.

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