Auf Schlösser-Tour mit dem Hausboot

By Published On: 4. April 2018

Mit dem Hausboot Europa 600 unterwegs in der Mecklenburgischen Kleinseenplatte. Zwischen Schlössern, Ruinen und Gutshäusern auf den Spuren alter Residenzstädte.

Drei befreundete Ehepaare sind auf dem Ferienboot Europa 600 unterwegs zwischen Fürstenberg/Havel, Neustrelitz und Rheinsberg. Gerd ist als erster morgens wach. Mit Gerumpel entsteigt er der Kabine. Kathi hat er schlafen lassen – erstaunlich, dass die das kann – ich zumindest bin sofort hellwach von dem Getöse. Dass Männer nicht leise aufstehen können!

Es ist Mitte Mai und wir sind zu sechst an Bord einer Europa 600 von Cardinal Boating Holidays in der Mecklenburgischen Seenplatte. Seit zwei Tagen bereits durchkreuzen wir Seen und Kanäle zwischen Feldern und Wäldern. Beobachten Biber beim Bäume fällen und Eisvögel bei der Ansitzjagd. Es ist idyllisch und urtümlich, naturbelassen und mancherorts widerum überraschend urban und vor allem ist es die pure Erholung! Ein Jahr voller Arbeit ging Tag um Tag vorüber. Jetzt heißt es endlich: Urlaub.

Hausboot Europa 600 in der Uckermark vor der Stadtkirche in Templin.

Das Hausboot Europa 600 beim Ablegen vom Stadthafen in Templin in der Uckermark.

Bootsurlaub mit Freunden

Seit den Studientagen haben wir sechs uns eigentlich nie so richtig aus den Augen verloren und vergangenes Jahr brachte dann Johannes den Vorschlag ein, man könne gemeinsam Boot fahren. Wir drei Mädels reagierten sehr zurückhaltend, doch die Jungs waren hellauf begeistert – und die Sache war schnell beschlossen. So schipperten wir auf dem Canal du Midi durch die Camargue und genossen die gemeinsame Zeit. Am Ende waren wir damals alle überzeugt: Bootsurlaub ist genau unser Ding.  Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Also soll es in diesem Jahr die heimische Seenplatte sein.

Am Freitag Nachmittag übernehmen wir unsere Europa 600, benannt nach dem Sternenbild „Puppis“, in der Charterbasis von Cardinal bei Fürstenberg/Havel am Röblinsee. Es ist wirklich ein wunderbares Schiff: jedem Pärchen steht eine separate Kabine mit eigenem Bad zur Verfügung. Im geräumigen Salon passen wir alle rund um den Esstisch und können das in der komplett ausgestatteten Küche bereitete Mahl in geselliger Runde verzehren. Oder wir verlagernunseren Klön nach oben auf das Sonnendeck. Vor Anker liegend, dümpelt die Europa sanft auf den Wellen, während wir von oben den Blick schweifen lassen und uns in dieser traumhaften Natur heimisch fühlen.

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Mehr Informationen

Ich als Kapitän und du als Matrose auf der Europa 600

Wir folgen über den Schwedt- und Stolpsee den Mäandern der Havel. Lauschen dem Meckern der Ziegen an der Schleuse Regow und genießen als Ausgleich nicht nur ihren köstlichen Käse – Kathi versucht es sogar mit Ziegenmilcheis. In der Schleuse Kannenburg betätigen sich Holger und Johannes als Meister an der Kurbel – das kennen sie schon aus Frank­reich. In Templin nächtigen wir und umwandern morgens die mittelalterliche Stadtmauer.

Von Templin aus heißt es Kurs auf Lychen nehmen. Ein Rhythmus stellt sich ein, Ferienstimmung macht sich breit und Routine kommt in die Crew: Fender ausbringen und Tee kochen, Klampen belegen und Fotos für Mutti machen. Ich als Kapitän und du als Leichtmatrose …

Mit Touristen-Angelerlaubnis und Angelkarte winkt Petris Heil beim angeln in Fürstenberg/Havel, Neustrelitz und Rheinsberg © Magazin Seenland

Mit Touristen-Angelerlaubnis und Angelkarte winkt Petris Heil.

Wer nach Lychen will, kommt an Himmelpfort nicht vorbei – oder aber eben doch, aber nicht ohne sich dabei mit frischem Räucherfisch einzudecken und ein leckeres Fischbrötchen mit auf den Weg zu nehmen. Im Lychener Flößereimuseum erfahren wir viel über die Geschichte des pittoresk zwischen sieben Seen gelegenen Ortes.

„Girls Day“ auf dem Vordeck

Und jetzt ist Montag Morgen, wir liegen in der Marina Lychen sicher vertäut, und Gerd poltert über das Teakholzdeck. Später wird er fragen, was ich denn hätte, er wäre doch nach oben geschlichen – von wegen, der Mann ist einfach ein Grobmotoriker! Nach und nach krabbeln alle aus ihren Kojen – und siehe da, das morgendliche Getöse war nicht umsonst: Gerd hat für uns alle Frühstück bereitet, er ist eben doch ein Schatz!

Schon die Morgensonne wärmt angenehm und so legen wir gegen elf Uhr ab. Da das mit Gerds Frühstück schon so gut klappte, haben wir Mädels kurzer Hand beschlossen, heute ist „Girls Day“. Und bei so viel Sonne heißt das zunächst einmal: Raus aus den Klamotten, rein in die Bikinis und ab zum Sonnen aufs Vorschiff. Die Männer sind jetzt am Zuge und der Service klappt tatsächlich ganz gut: eisgekühlte Getränke, die Beach Boys im Radio und Sonnenöl auf den Schultern nach Bedarf. So lässt es sich aushalten. Auch zum Schleusen, An- und Ablegen stehen wir drei heute nicht mehr auf.

Kurs nach Wesenberg

Umso verwunderlicher, dass die Schleusen Himmelpfort, Fürstenberg und Steinhavelmühle ohne Schaden an Mensch und Material durchfahren werden. Wer hätte das gedacht, die Männer haben das Schiff auch ohne uns im Griff.

Kurze Zeit später, die Uhr schlägt inzwischen halb vier, halten wir uns bei Priepert rechts und folgen so dem weiteren Verlauf der Havel stromaufwärts. Je weiter wir gen Norden vorstoßen, desto ruhiger wird das Treiben auf dem Wasser. Wir nähern uns dem Müritz-Nationalpark – einem der größten Schutzreservate für Tiere und Pflanzen in Deutschland.

Doch was wir zunächst einmal schützen müssen, sind wir selbst – vor einem richtig schönen Sonnenbrand! Auf der großen Bade­plattform finde ich das beste Plätzchen, als in der Ferne bereits die Schleuse Wesenberg auftaucht. Hinter der Schleuse halten wir uns rechts, laufen in den Hafen der Marina Wesenberg ein und machen für heute fest. Beim abendlichen Spaziergang durch Wesenberg erkunden wir die Burg und haben das Glück, kurz vor Feierabend noch den Turm besteigen zu dürfen. Über das flache Land erstreckt sich der weite Blick und die abendliche Sonne taucht Wald und Flur in satte Farben – nicht nur auf dem Wasser ist es schön in der Seenplatte.

Auch die Crew auf unserem Nachbarschiff lässt es sich am Röblinsee gut gehen.

Auch die Crew auf unserem Nachbarschiff lässt es sich am Röblinsee gut gehen.

Residenzen am Wasser

Die Burgbesteigung hat Johannes inspiriert: „Wir unternehmen jetzt eine Schlössertour!“, verkündet er am nächsten Morgen und startet die Maschine. Über Woblitzsee, Kammerkanal und Zierker See gelangen wir zur Residenzstadt Neustrelitz und wollen im Stadthafen anlegen. Ein leichter Wind ist aufgekommen, der genau über den See ins Hafenbecken weht. Da ist es gut, dass wir allesamt schon richtig Übung im Umgang mit dem Schiff haben. Unter normalen Bedingungen ist das Bootshandling tatsächlich ein Kinderspiel, aber jetzt fassen alle mit an und buxieren so das Gefährt gefahrlos in die Box. Am Ufer steht der freundliche Hafenmeister schon parat, reicht uns eine helfende Hand und belegt mit zwei gekonnten Armschwüngen den Poller gekonnt – wir liegen fest.

So schnell der Wind kam, so hurtig hat er die Wolken auch wieder mit sich fort genommen und uns den blauen Himmel zurück gegeben, der uns schon die vergangenen Tage so liebreizend durch die Seenplatte begleitet hat. Johannes ist überzeugt, in einer Residenzstadt muss es doch ein Schloss geben. Wir durchwandern die Altstadt und den Markt auf der Suche danach, doch ein Besuch in der Touristinfo erklärt schnell unsere Erfolglosigkeit: Schlossgartenfestspiele gibt es sehr erfolgreich jeden Sommer in Neustrelitz, das Schloss selbst hingegen ist nur Kulisse am historischen Ort, das Original wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Ob das mit der versprochenen Schlössertour noch was wird? Doch als wir wieder an Bord gehen, setzt Johannes eine triumphierende Miene auf und übernimmt das Kommando: „Leinen los!“

Wir schaffen es noch mit der letzten Schleusung, Strasen zu passieren und legen direkt dahinter rechts beim Gasthaus „Zum Löwen“ an. Bei fassfrischem Bier und einem deftigen Mahl muss der arme Johannes heute Abend so manchen Spot ertragen, doch zu unser aller Verwunderung bringt auch das ihn nicht aus der Ruhe. Er hat das Kommando an Bord – wir werden schon sehen.

Kurs auf Rheinsberg

Ohne irgendeine Ahnung stechen wir am nächsten Morgen ungefrühstückt in See. Kathi und ich kochen Kaffee und belegen die Brötchen, die uns der Löwen-Wirt ans Boot gebracht hat. Wasser und Wald des Pälitzsees vor Augen und die frische Brandenburger Luft mit leichter Kaffeenote in der Nase, beiße ich lustvoll in mein Kirschmarmeladenbrötchen – na, ich bin ja einmal auf Johannes’ Schlösser gespannt!

Langsam beginnt es mir zu dämmern. Die Karte auf dem Schoß, verfolge ich unsere Route und entdecke bald Rheinsberg: „Schloss voraus!“
Über Hüttenkanal, Schleuse Wolfsbruch, Tietzowsee und vorbei an Zechlinerhütte sind Rheinsberger See und Rheinsberg am Grienericksee schnell erreicht. Johannes grinst: „Da habt ihr euer Schloss.“ Und er hat recht, malerisch liegt die ehemalige Königsresidenz direkt am Seeufer und wir sind nicht die einzigen, die ihre Ehrenrunden davor ziehen. Schließlich legen wir unweit von dem liebevoll restaurierten Gemäuer im Yachthafen an. Wir fallen von Bord und befinden uns unmittelbar auf der Uferpromenade. Hier flaniert der Rheinsberger Kurgast neben dem Kanuwanderer und wir sind mitten drin. Der Schlossgarten – nicht minder lohnend als der Neustrelitzer – lädt zum Lustwandeln und Träumen ein. Gerd und Kathi haben sich schon abgesetzt, und selbst Holger kommt ins Schwärmen – diese romantische Ader kannte ich ja noch gar nicht an ihm.

Übernachten im Hafendorf Rheinsberg

Nach einem ausgiebigen Landgang und so mancher Portion Eis mit Sahne legen wir nochmals ab. Zur Nacht wollen wir uns in den Hafen der „Boat City“ im Hafendorf Rheinsberg verholen. In der Nachtbar des dazugehörigen Hotels soll es die besten Cocktails weit und breit geben!
Es ist unser vorletzter Abend an Bord und wir feiern diesen in feuchtfröhlicher Runde. Gemeinsam hatten wir sechs Tage lang Spaß und Erholung. Haben gelesen, gelacht und sind geschwommen. Haben Kultur und Natur genossen und einfach schöne Ferien erlebt. Und ich bin sicher, gern kommen wir wieder.

In ruhiger Fahrt bringen wir unser Schiff zurück in den Heimathafen bei Fürstenberg. Drei Schleusen weiter und gute fünf Stunden später kommen wir an. Zeit ist inzwischen eine relative Größe und am Ende können allesamt guten Gewissens bestätigen: Bootsurlaub wirkt!

Anmerkung:
Dieser Tourbericht erschien erstmal im Magazin Seenland. Die Europa 600 wird mittlerweile nur noch durch die Firma Locaboat angeboten, deren Basis die Stadtmarina Fürstenberg ist. Am Röblinsee hat die Firma Riverboating Holidays ihren Sitz und vermietet dort die Riverboat für 2 bis 4 Personen. Hier kannst du einen weiteren Tourbericht mit dem Hausboot durch Kleinseenplatte lesen.

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Auf Schlösser-Tour mit dem Hausboot
By |8,9 min read|1748 words|Published On: 4. April 2018|

Mit dem Hausboot Europa 600 unterwegs in der Mecklenburgischen Kleinseenplatte. Zwischen Schlössern, Ruinen und Gutshäusern auf den Spuren alter Residenzstädte.

Drei befreundete Ehepaare sind auf dem Ferienboot Europa 600 unterwegs zwischen Fürstenberg/Havel, Neustrelitz und Rheinsberg. Gerd ist als erster morgens wach. Mit Gerumpel entsteigt er der Kabine. Kathi hat er schlafen lassen – erstaunlich, dass die das kann – ich zumindest bin sofort hellwach von dem Getöse. Dass Männer nicht leise aufstehen können!

Es ist Mitte Mai und wir sind zu sechst an Bord einer Europa 600 von Cardinal Boating Holidays in der Mecklenburgischen Seenplatte. Seit zwei Tagen bereits durchkreuzen wir Seen und Kanäle zwischen Feldern und Wäldern. Beobachten Biber beim Bäume fällen und Eisvögel bei der Ansitzjagd. Es ist idyllisch und urtümlich, naturbelassen und mancherorts widerum überraschend urban und vor allem ist es die pure Erholung! Ein Jahr voller Arbeit ging Tag um Tag vorüber. Jetzt heißt es endlich: Urlaub.

Hausboot Europa 600 in der Uckermark vor der Stadtkirche in Templin.

Das Hausboot Europa 600 beim Ablegen vom Stadthafen in Templin in der Uckermark.

Bootsurlaub mit Freunden

Seit den Studientagen haben wir sechs uns eigentlich nie so richtig aus den Augen verloren und vergangenes Jahr brachte dann Johannes den Vorschlag ein, man könne gemeinsam Boot fahren. Wir drei Mädels reagierten sehr zurückhaltend, doch die Jungs waren hellauf begeistert – und die Sache war schnell beschlossen. So schipperten wir auf dem Canal du Midi durch die Camargue und genossen die gemeinsame Zeit. Am Ende waren wir damals alle überzeugt: Bootsurlaub ist genau unser Ding.  Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Also soll es in diesem Jahr die heimische Seenplatte sein.

Am Freitag Nachmittag übernehmen wir unsere Europa 600, benannt nach dem Sternenbild „Puppis“, in der Charterbasis von Cardinal bei Fürstenberg/Havel am Röblinsee. Es ist wirklich ein wunderbares Schiff: jedem Pärchen steht eine separate Kabine mit eigenem Bad zur Verfügung. Im geräumigen Salon passen wir alle rund um den Esstisch und können das in der komplett ausgestatteten Küche bereitete Mahl in geselliger Runde verzehren. Oder wir verlagernunseren Klön nach oben auf das Sonnendeck. Vor Anker liegend, dümpelt die Europa sanft auf den Wellen, während wir von oben den Blick schweifen lassen und uns in dieser traumhaften Natur heimisch fühlen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

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Ich als Kapitän und du als Matrose auf der Europa 600

Wir folgen über den Schwedt- und Stolpsee den Mäandern der Havel. Lauschen dem Meckern der Ziegen an der Schleuse Regow und genießen als Ausgleich nicht nur ihren köstlichen Käse – Kathi versucht es sogar mit Ziegenmilcheis. In der Schleuse Kannenburg betätigen sich Holger und Johannes als Meister an der Kurbel – das kennen sie schon aus Frank­reich. In Templin nächtigen wir und umwandern morgens die mittelalterliche Stadtmauer.

Von Templin aus heißt es Kurs auf Lychen nehmen. Ein Rhythmus stellt sich ein, Ferienstimmung macht sich breit und Routine kommt in die Crew: Fender ausbringen und Tee kochen, Klampen belegen und Fotos für Mutti machen. Ich als Kapitän und du als Leichtmatrose …

Mit Touristen-Angelerlaubnis und Angelkarte winkt Petris Heil beim angeln in Fürstenberg/Havel, Neustrelitz und Rheinsberg © Magazin Seenland

Mit Touristen-Angelerlaubnis und Angelkarte winkt Petris Heil.

Wer nach Lychen will, kommt an Himmelpfort nicht vorbei – oder aber eben doch, aber nicht ohne sich dabei mit frischem Räucherfisch einzudecken und ein leckeres Fischbrötchen mit auf den Weg zu nehmen. Im Lychener Flößereimuseum erfahren wir viel über die Geschichte des pittoresk zwischen sieben Seen gelegenen Ortes.

„Girls Day“ auf dem Vordeck

Und jetzt ist Montag Morgen, wir liegen in der Marina Lychen sicher vertäut, und Gerd poltert über das Teakholzdeck. Später wird er fragen, was ich denn hätte, er wäre doch nach oben geschlichen – von wegen, der Mann ist einfach ein Grobmotoriker! Nach und nach krabbeln alle aus ihren Kojen – und siehe da, das morgendliche Getöse war nicht umsonst: Gerd hat für uns alle Frühstück bereitet, er ist eben doch ein Schatz!

Schon die Morgensonne wärmt angenehm und so legen wir gegen elf Uhr ab. Da das mit Gerds Frühstück schon so gut klappte, haben wir Mädels kurzer Hand beschlossen, heute ist „Girls Day“. Und bei so viel Sonne heißt das zunächst einmal: Raus aus den Klamotten, rein in die Bikinis und ab zum Sonnen aufs Vorschiff. Die Männer sind jetzt am Zuge und der Service klappt tatsächlich ganz gut: eisgekühlte Getränke, die Beach Boys im Radio und Sonnenöl auf den Schultern nach Bedarf. So lässt es sich aushalten. Auch zum Schleusen, An- und Ablegen stehen wir drei heute nicht mehr auf.

Kurs nach Wesenberg

Umso verwunderlicher, dass die Schleusen Himmelpfort, Fürstenberg und Steinhavelmühle ohne Schaden an Mensch und Material durchfahren werden. Wer hätte das gedacht, die Männer haben das Schiff auch ohne uns im Griff.

Kurze Zeit später, die Uhr schlägt inzwischen halb vier, halten wir uns bei Priepert rechts und folgen so dem weiteren Verlauf der Havel stromaufwärts. Je weiter wir gen Norden vorstoßen, desto ruhiger wird das Treiben auf dem Wasser. Wir nähern uns dem Müritz-Nationalpark – einem der größten Schutzreservate für Tiere und Pflanzen in Deutschland.

Doch was wir zunächst einmal schützen müssen, sind wir selbst – vor einem richtig schönen Sonnenbrand! Auf der großen Bade­plattform finde ich das beste Plätzchen, als in der Ferne bereits die Schleuse Wesenberg auftaucht. Hinter der Schleuse halten wir uns rechts, laufen in den Hafen der Marina Wesenberg ein und machen für heute fest. Beim abendlichen Spaziergang durch Wesenberg erkunden wir die Burg und haben das Glück, kurz vor Feierabend noch den Turm besteigen zu dürfen. Über das flache Land erstreckt sich der weite Blick und die abendliche Sonne taucht Wald und Flur in satte Farben – nicht nur auf dem Wasser ist es schön in der Seenplatte.

Auch die Crew auf unserem Nachbarschiff lässt es sich am Röblinsee gut gehen.

Auch die Crew auf unserem Nachbarschiff lässt es sich am Röblinsee gut gehen.

Residenzen am Wasser

Die Burgbesteigung hat Johannes inspiriert: „Wir unternehmen jetzt eine Schlössertour!“, verkündet er am nächsten Morgen und startet die Maschine. Über Woblitzsee, Kammerkanal und Zierker See gelangen wir zur Residenzstadt Neustrelitz und wollen im Stadthafen anlegen. Ein leichter Wind ist aufgekommen, der genau über den See ins Hafenbecken weht. Da ist es gut, dass wir allesamt schon richtig Übung im Umgang mit dem Schiff haben. Unter normalen Bedingungen ist das Bootshandling tatsächlich ein Kinderspiel, aber jetzt fassen alle mit an und buxieren so das Gefährt gefahrlos in die Box. Am Ufer steht der freundliche Hafenmeister schon parat, reicht uns eine helfende Hand und belegt mit zwei gekonnten Armschwüngen den Poller gekonnt – wir liegen fest.

So schnell der Wind kam, so hurtig hat er die Wolken auch wieder mit sich fort genommen und uns den blauen Himmel zurück gegeben, der uns schon die vergangenen Tage so liebreizend durch die Seenplatte begleitet hat. Johannes ist überzeugt, in einer Residenzstadt muss es doch ein Schloss geben. Wir durchwandern die Altstadt und den Markt auf der Suche danach, doch ein Besuch in der Touristinfo erklärt schnell unsere Erfolglosigkeit: Schlossgartenfestspiele gibt es sehr erfolgreich jeden Sommer in Neustrelitz, das Schloss selbst hingegen ist nur Kulisse am historischen Ort, das Original wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Ob das mit der versprochenen Schlössertour noch was wird? Doch als wir wieder an Bord gehen, setzt Johannes eine triumphierende Miene auf und übernimmt das Kommando: „Leinen los!“

Wir schaffen es noch mit der letzten Schleusung, Strasen zu passieren und legen direkt dahinter rechts beim Gasthaus „Zum Löwen“ an. Bei fassfrischem Bier und einem deftigen Mahl muss der arme Johannes heute Abend so manchen Spot ertragen, doch zu unser aller Verwunderung bringt auch das ihn nicht aus der Ruhe. Er hat das Kommando an Bord – wir werden schon sehen.

Kurs auf Rheinsberg

Ohne irgendeine Ahnung stechen wir am nächsten Morgen ungefrühstückt in See. Kathi und ich kochen Kaffee und belegen die Brötchen, die uns der Löwen-Wirt ans Boot gebracht hat. Wasser und Wald des Pälitzsees vor Augen und die frische Brandenburger Luft mit leichter Kaffeenote in der Nase, beiße ich lustvoll in mein Kirschmarmeladenbrötchen – na, ich bin ja einmal auf Johannes’ Schlösser gespannt!

Langsam beginnt es mir zu dämmern. Die Karte auf dem Schoß, verfolge ich unsere Route und entdecke bald Rheinsberg: „Schloss voraus!“
Über Hüttenkanal, Schleuse Wolfsbruch, Tietzowsee und vorbei an Zechlinerhütte sind Rheinsberger See und Rheinsberg am Grienericksee schnell erreicht. Johannes grinst: „Da habt ihr euer Schloss.“ Und er hat recht, malerisch liegt die ehemalige Königsresidenz direkt am Seeufer und wir sind nicht die einzigen, die ihre Ehrenrunden davor ziehen. Schließlich legen wir unweit von dem liebevoll restaurierten Gemäuer im Yachthafen an. Wir fallen von Bord und befinden uns unmittelbar auf der Uferpromenade. Hier flaniert der Rheinsberger Kurgast neben dem Kanuwanderer und wir sind mitten drin. Der Schlossgarten – nicht minder lohnend als der Neustrelitzer – lädt zum Lustwandeln und Träumen ein. Gerd und Kathi haben sich schon abgesetzt, und selbst Holger kommt ins Schwärmen – diese romantische Ader kannte ich ja noch gar nicht an ihm.

Übernachten im Hafendorf Rheinsberg

Nach einem ausgiebigen Landgang und so mancher Portion Eis mit Sahne legen wir nochmals ab. Zur Nacht wollen wir uns in den Hafen der „Boat City“ im Hafendorf Rheinsberg verholen. In der Nachtbar des dazugehörigen Hotels soll es die besten Cocktails weit und breit geben!
Es ist unser vorletzter Abend an Bord und wir feiern diesen in feuchtfröhlicher Runde. Gemeinsam hatten wir sechs Tage lang Spaß und Erholung. Haben gelesen, gelacht und sind geschwommen. Haben Kultur und Natur genossen und einfach schöne Ferien erlebt. Und ich bin sicher, gern kommen wir wieder.

In ruhiger Fahrt bringen wir unser Schiff zurück in den Heimathafen bei Fürstenberg. Drei Schleusen weiter und gute fünf Stunden später kommen wir an. Zeit ist inzwischen eine relative Größe und am Ende können allesamt guten Gewissens bestätigen: Bootsurlaub wirkt!

Anmerkung:
Dieser Tourbericht erschien erstmal im Magazin Seenland. Die Europa 600 wird mittlerweile nur noch durch die Firma Locaboat angeboten, deren Basis die Stadtmarina Fürstenberg ist. Am Röblinsee hat die Firma Riverboating Holidays ihren Sitz und vermietet dort die Riverboat für 2 bis 4 Personen. Hier kannst du einen weiteren Tourbericht mit dem Hausboot durch Kleinseenplatte lesen.

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