Mit dem Ferienboot in die Hauptstadt Berlin

By Veröffentlich am: 28. April 2022

Ein Törn von Fürstenberg an der Havel nach Berlin. »Berlin per Hausboot, das wäre doch mal was.« Als wir im Herbst zusammen mit Freunden unseren Sommerurlaub planten, kam dieser Gedanke auf und verfestigte sich zunehmend. Mit einem Boot in die deutsche Hauptstadt zu fahren, erschien uns spannend.

Wir wollten Erholung in unberührter Natur, da passte das pulsierende Berlin erst mal nicht recht ins Bild, und doch ließ mich die Idee nicht mehr los. Material wurde gesammelt, Magazine und Reiseberichte studiert und im Internet recherchiert. Schließlich überzeugte ich meine Mannschaft zu unserem Hauptstadtabenteuer und im Juli 2005 ging der Törn von Fürstenberg mit dem Hausboot nach Berlin los.

Tag 1: Unser Ferienboot

Am 1. Juli erreichten wir gegen Nachmittag die Basis der Firma Cardinal Boating am Röblinsee in Fürstenberg. Die neu gegründete Charterfirma betreibt dort auf einem idyllischen Gründstück seit Frühjahr ihre Charterbasis. Freundlich werden wir von Cardinal-Mitarbeiterin Conny Riotte begrüßt, die uns auf einen Kaffee zur Verschnaufpause einlädt. Noch bevor wir ausgetrunken haben, treffen unsere Freunde aus Hannover in der Basis ein. Nun sind wir vollständig: vier Erwachsene, zwei Kinder.

Während die Kinder schon auf dem Boot umhertollen, helfen uns die Mitarbeiter der Basis beim Einrichten auf dem Boot. Vom Bootstyp der Europa 600 sind wir begeistert. Auf 12,90 m Länge und 3,80 m Breite sind drei komfortable Kabinen untergebracht. Jede verfügt über ein eigenes Bad und ausreichend Stauraum. Wir Erwachsenen beziehen die beiden Heckkabinen, die Kinder werden im Vorschiff untergebracht. Die helle und komfortable Küche hat einen großen Kühlschrank, Vier-Flammen-Gasherd und Ofen. Die Küche fügt sich harmonisch in den großzügen Wohnbereich ein. Für Regentage sind ein Flachbildschirm mit DVD-Player und Satellitenfernsehen an Bord. Obwohl wir nicht planen, den Fernseher zu nutzen, sind wir doch dankbar für die Einweisungs-DVD, die uns schon vor der Reise zugesandt wurde. Detailliert werden dort die wichtigsten Elemente des Bootsfahrens erklärt. Dies gibt uns die Sicherheit und das gute Gefühl, auch nach der hervorragenden Charterscheineinweisung durch Bernd Wedow einen interaktiven Notizzettel dabei zu haben.

Für die erste Nacht bleiben wir noch im Hafen, gehen am Abend auf ein Bier die Kneipe am Markt von Fürstenberg mit Namen »Holzwurm« und schwelgen auf dem Rückweg in Abenteuern, die unsere Reise mit sich bringen wird.

Ferienboot Europa 400 auf dem Röblinsee bei Fürstenberg © Magazin Seenland

Urlaub auf dem Ferienboot ist Erholung und Abwechslung für die ganze Familie.

Tag 2: Willkommen im Urlaub

Am Sonntagmorgen geht es früh los. Seichte Wellen schaukeln uns aus den Federn. Die ersten Bootsfahrer sind schon auf den Beinen und nutzen die frühen Sonnenstrahlen für einen Ausflug. Nichts wie los, denke ich beim Anblick des schönen Wetters. Die müde Mannschaft wird aus den Kojen geklingelt, frischer Kaffeduft tut sein übriges. Berlin ruft!

Wir passieren die Schleuse Fürstenberg und nehmen Fahrt auf in Richtung Stolpsee. Kaum befinden wir uns auf demselben, kommt Wind auf. Die Kaffetassen an Deck schwanken bedrohlich. Alles hört auf mein Kommando: Fleißige Hände verstauen das Geschirr unter Deck, die Kinder begrüßen jede Welle mit großem Gejuchze. Der Stolpsee erscheint uns wie ein kleines Meer, mit dem Unterschied, dass der See nach drei Kilometern schon in der ruhigen Havel endet. Von nun an schlängelt sich die Havel in ihrem ursprünglichen Flussbett vorbei an Erlen und Buchen. Erst an der Schleuse Bredereiche mit ihrem imposanten Hubtor müssen wir stoppen.

Weiter geht die Fahrt auf der Havel zur Schleuse Regow. Gleich am Schleusengelände befindet sich die Capriolenhof genannte Ziegenkäserei Regow, deren Besuch besonders unsere Kinder erfreut. Im dortigen Hofladen können frische Käseprodukte erworben werden. Die Havel schlängelt sich weiter durch unberührte Landschaften. Die Zeit vergeht wie im Fluge. An der Schleuse Zaaren begrüßen uns zwei rote Lichter: Für heute keine Schleusungen mehr. Wir machen an der Wartestelle fest und genießen bei einer Flasche Rotwein die Stille an Deck.

Tag 3: Unterwegs auf der Havel mit dem Ferienboot

Am nächsten Morgen passieren wir die Schleuse Schorfheide und halten uns backbords in Richtung Templin. Seit der Eröffnung der gleichnamigen Schleuse dient deren Wartestelle nicht mehr als Liegeplatz, so dass wir bis zur Fertigstellung des Stadtanlegers eine provisorische Anlegestelle nutzen müssen. Diese Anstrengung wird durch die schöne Ackerbauerstadt Templin reichlich belohnt. Die Stadtmauer und der Marktplatz sowie das Freibad am See mit Sprungturm bereiten nicht nur den Kindern Vergnügen. Nach einem Mittagessen in der »Rossschwemme«, direkt an der neuen Schleuse, starten wir unsere Tour zurück zur Havel in Richtung Berlin. Wir überqueren den Röddelinsee, an dessen Ufern ab Juni 2006 das Westerndorf »Eldorado« seine Besucher begrüßen wird, und fahren weiter flussabwärts.

Unser nächstes Etappenziel ist die Marina im Ziegeleipark Mildenberg. Schon einige Kilometer vor dem eigentlichen Wasserwanderrastplatz künden unzählige Wasserflächen längs der Havel von der geschichtsträchtigen Entwicklung dieser Landschaft. Von hier stammen die Ziegel, aus denen die Weltstadt Berlins einst erbaut wurde. Noch heute erinnert der Ziegeleipark in Mildenberg an dieses alte Handwerk. Die Marina liegt direkt in einem der alten Ziegeleihäfen. Hier genießt die Mannschaft die Bequemlichkeiten einer guten Marina mit kompletter Infrastruktur und kleinem Laden. Das Schiff liegt sehr idyllisch unter alten Bäumen und am nächsten Morgen ist es nur ein kurzer Weg zur Erlebniswelt des Ziegeleiparks. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall: Der Ringofen zur Ziegelherstellung ist beeindruckend und die technischen Anlagen vermitteln gute Einblicke in die Geschichte der Ziegelproduktion.

Mit dem Ferienboot durchs Tonstichrevier

Auf dem vier Kilometer langen Weg in Richtung Zehdenick machen wir einen kurzen Zwischenstopp am Wasserwanderplatz Wallapoint direkt neben der Einmündung des Welsengraben. Gestärkt passieren wir den Neubau der historischen Klappbrücke in Zehdenick und machen an einem der Anleger im Stadtgebiet fest. Der historische Großfinowmaßkahn am Bollwerk der Elisabeth-Mühle, direkt neben der Tourismusinformation, zieht unsere Blicke auf sich und wird besucht. Wechselnde Ausstellungen im Kahn dokumentieren die Geschichte der Schifffahrt auf den Kanälen des Seenlands.

Ab nun heißt es »Strecke machen«, schließlich möchten wir am Abend noch mit dem Hausboot nach Berlin. Auf den 18 Kilometern bis zur Schleuse Liebenwalde schlängelt sich die »Schnelle Havel« parallel zu unserem Flussbett in ihrer ursprünglichen Form. Ab der Schleuse Liebenwalde nimmt der Berufsschifferverkehr zu, und hier endet die Charterscheinreglung. Und unser gestandener Kapitän Robert, in Besitz eines »Sportbootführerscheins Binnen«, übernimmt das Kommando.
Insbesondere die Schleuse Lehnitz erfordert Fingerspitzengefühl. Die Schleusung von Sportbooten ist hier nur in Kombination mit der Berufsschifffahrt möglich. Längere Wartezeiten sind deshalb nicht ausgeschlossen. Wir haben Glück und passen gleich beim ersten Anlauf mit in die Schleusenkammer. Auf dem Oder-Havel-Kanal gelangen wir nach Oranienburg, wo wir in den alten Havelarm einbiegen und am Bollwerk unweit des Schlosses Oranienburg festmachen. Die älteste barocke Schlossanlage in Brandenburg beherbergt heute eine Ausstellung der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg mit Gemälden niederländischer Meister, wertvollen Wandteppichen und einem Porzellankabinett.

Tag 4: Berlin tut gut

Uns hält es so kurz vor dem Reiseziel nicht lange in den Kojen. Also geht es früh morgens los. Wir überqueren die Stadtgrenze von Berlin und nähern uns der neuen Schleuse Spandau. Wir haben es geschafft: Mit dem Hausboot nach Berlin. Steuerbords passieren wir die Zitadelle Spandau, deren trutzige Mauern und deren massiven Juliustrum, ehemals Beherbergungsstätte für den Reichssschatz, unser Interesse wecken. Doch vorerst müssen wir die gewaltige Spandauer Schleuse meistern – und das gelingt uns mit Bravour! Wir nutzen den Anleger am Schiffbauerdamm, direkt an der Altstadt Spandau und erledigen wichtige Besorgungen auf dem nahe gelegenen Markt. Von einem ersten Shopping in den zu Fuß erreichbaren Spandau Arcaden können wir unsere Kinder kaum abhalten. Wir vertrösten sie fürs erste auf die Rückfahrt und versprechen ihnen zudem einen Besuch in Berlins bester Eisdiele »Florida« direkt gegenüber dem Rathaus Spandau.

Doch vorerst geht es auf der Spree-Oder-Wasserstraße ins Zentrum von Berlin. Wir passieren zuerst einige Industriebauten, die an Spandau als Industriestandort und Produktionsstätte des Siemenskonzerns erinnern. Kurz hinter der Schleuse Charlottenburg beginnt das Ufer grüner zu werden, die Bebauung wird jedoch auch merklich dichter. Wir passieren das Schloss Charlottenburg und schlängeln uns auf der Spree in Windungen in Richtung Regierungsviertel. Als erstes Gebäude erblicken wir das Bundesinnenministerium, dessen markante Glasfassade direkt am Spreeufer gebaut wurde.

Danach geht alles Schlag auf Schlag: Kongresshalle, Kanzleramt, Lehrter Bahnhof, Schweizer Botschaft, Reichstag, Abgeordnetenbüros, Bahnhof Friedrichstraße. Alle Gebäude liegen binnen weniger Kilometer aufgereiht wie an einer Kette entlang der Spree. Während wir unser Mittag zubereiten, taucht das Hauptstadtstudio der ARD auf. Nun heißt es sich beeilen. Direkt hinter der Schiffbauerbrücke, gleich am Bahnhof Friedrichstraße, ist der ideale Anlegeplatz für unser Ferienboot und einen kleinen Stadtrundgang durch Berlin-Mitte. Wie an allen innerstädtischen Liegestellen ist der Aufenthalt auch am Schiffbauerdamm kostenlos und auf 24 Stunden beschränkt.

Auf Landgang durch Berlin

Unsere Wertsachen nehmen wir mit, ansonsten verschließen wir das Boot gut, ziehen die Vorhänge zu und begeben uns ins pulsierende Leben der Hauptstadt. Unser Käpt’n übernimmt als gebürtiger Berliner die Führung. Zuerst geht es die Friedrichstraße entlang, vorbei am Friedrichstadtpalast zur Oranienburger Straße. Hier reihen sich Restaurants und Kneipen aneinander, so dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Für modisch Interesiierte gibt es einige schöne kleine Boutiquen. Nach einem kurzen Imbiss geht es die Straße hinauf bis zum Hackeschen Markt. Ein pulsierender Ort mitten in Berlin, der durch die dort noch erhaltene ursprüngliche Bebauung einen besonderen Charme ausstrahlt. Besonders beeindruckt mich hier der Besuch der Hackeschen Höfe, jener Aneinanderreihung von unzähligen Hinterhöfen zur Verbindung zweier Straßen, sehr sehenswert!

Vom Hackeschen Markt aus gehen wir in Richtung Fernsehtum und Alexanderplatz. Dort bietet es sich an, auf einen Kaffee in die Kugel des Turms zu fahren und in der sich drehenden Kuppel ein unvergleichliches Stadtpanorama zu erleben. Zurück geht es entlang der Straße Unter den Linden hin zum Brandenburger Tor. Direkt hinter dem Tor biegen wir nach links ab und besichtigen das Holocaust-Mahnmal mit seinem Stelenfeld aus Beton.

Ein Sommerabend am Spreeufer im Regierungsviertel

In der Ferne entdecken wir schon das Tagesziel unserer Kinder, das Sonycenter mit 3D-Kino. Auch wenn ich die schnellen Schnitte nicht vertrage, meinen Kindern gefällt die Vorstellung wahnsinnig gut. Damit wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unser Boot an einen ruhigeren Liegeplatz verlegen können, nehmen wir für den Rückweg die S-Bahn, die in wenigen Stationen zurück am Bahnhof Friedrichstraße ist. Der angestrebte Liegeplatz befindet sich im Nikolaiviertel, direkt hinter der Mühlendammschleuse.

Die Mühlendammschleuse hat unter der Woche bis Mitternacht geöffnet, so dass wir ungehindert am späten Abend schleusen und den ruhigen, und glücklicherweise noch freien, Liegeplatz anlaufen können. Mich und meine Frau hält es abends nicht auf dem Boot, so dass wir uns auf den Weg zum Bundespressestrand gegenüber dem Reichstag machen. Am Nachmittag fanden wir diesen großen »Biergarten« gegenüber den Regierungsbauten mit zwei Schwimmbassins und kleiner Bühne schon sehr verlockend. Und wirklich, der Abend in lauer Sommernacht mitten in Berlin enttäuscht uns nicht.

Tag 5: Zurück zur Natur

Übermorgen müssen wir unser Ferienboot wieder in Fürstenberg abgeben, also Leinen los und vor der backsteinernen Oberbaumbrücke in den Landwehrkanal abgebogen. Der Kanal führt mitten durch das pulsierende Leben von Berlin, streift Kreuzberg und mündet an der Schleuse Charlottenburg wieder in der Spree. Von dort aus führt uns der Weg zurück nach Fürstenberg so wie unsere Hinreise mit dem Hausboot nach Berlin verlief. Bis auf einen kurzen Stop für das versprochene Eis- und das Shopping in Spandau geht es ohne lange Pausen zurück in Richtung Fürstenberg. Eine Übernachtungspause legen wir am Gästesteg in Bredereiche ein.

Tag 6: Zum Baden nach Lychen

Bevor wir Fürstenberg erreichen, fahren wir durch die Schleuse Himmelpfort auf den Großen Lychensee und ankern dort. Ein göttliches Gefühl im klaren Wasser des Sees zu baden und sich auf dem Teakholzdeck die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Nach den erlebnisreichen Tagen ein schöner Ausklang des Urlaubs. Mit der letzten Schleusung erreichen wir am Abend den Röblinsee, vertauen unser Schiff und genießen den Sonnenuntergang an Deck.

Tag 7: Heimkehr

Um 9 Uhr übergeben wir besenrein unser Ferienboot an Conny Riot. Als wir schon im Auto sitzen, muss ich noch mal zurück zum Boot. Die DVD von Cardinal Boating liegt noch immer im Abspielgerät. Nicht, dass wir sie nach der anfänglichen Einweisung noch einmal an Bord gebraucht hätten, aber: Bei all den schönen Eindrücken sind wir gar nicht zum Fotografieren gekommen, und so können wir unsere Lieben daheim mittels der DVD an der tollen Stimmung an Bord einer Europa teilhaben lassen. Eine wirklich empfehlenswerte Tour mit dem Hausboot nach Berlin.


Der Seenland Test:

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Mit dem Ferienboot in die Hauptstadt Berlin
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Ein Törn von Fürstenberg an der Havel nach Berlin. »Berlin per Hausboot, das wäre doch mal was.« Als wir im Herbst zusammen mit Freunden unseren Sommerurlaub planten, kam dieser Gedanke auf und verfestigte sich zunehmend. Mit einem Boot in die deutsche Hauptstadt zu fahren, erschien uns spannend.

Wir wollten Erholung in unberührter Natur, da passte das pulsierende Berlin erst mal nicht recht ins Bild, und doch ließ mich die Idee nicht mehr los. Material wurde gesammelt, Magazine und Reiseberichte studiert und im Internet recherchiert. Schließlich überzeugte ich meine Mannschaft zu unserem Hauptstadtabenteuer und im Juli 2005 ging der Törn von Fürstenberg mit dem Hausboot nach Berlin los.

Tag 1: Unser Ferienboot

Am 1. Juli erreichten wir gegen Nachmittag die Basis der Firma Cardinal Boating am Röblinsee in Fürstenberg. Die neu gegründete Charterfirma betreibt dort auf einem idyllischen Gründstück seit Frühjahr ihre Charterbasis. Freundlich werden wir von Cardinal-Mitarbeiterin Conny Riotte begrüßt, die uns auf einen Kaffee zur Verschnaufpause einlädt. Noch bevor wir ausgetrunken haben, treffen unsere Freunde aus Hannover in der Basis ein. Nun sind wir vollständig: vier Erwachsene, zwei Kinder.

Während die Kinder schon auf dem Boot umhertollen, helfen uns die Mitarbeiter der Basis beim Einrichten auf dem Boot. Vom Bootstyp der Europa 600 sind wir begeistert. Auf 12,90 m Länge und 3,80 m Breite sind drei komfortable Kabinen untergebracht. Jede verfügt über ein eigenes Bad und ausreichend Stauraum. Wir Erwachsenen beziehen die beiden Heckkabinen, die Kinder werden im Vorschiff untergebracht. Die helle und komfortable Küche hat einen großen Kühlschrank, Vier-Flammen-Gasherd und Ofen. Die Küche fügt sich harmonisch in den großzügen Wohnbereich ein. Für Regentage sind ein Flachbildschirm mit DVD-Player und Satellitenfernsehen an Bord. Obwohl wir nicht planen, den Fernseher zu nutzen, sind wir doch dankbar für die Einweisungs-DVD, die uns schon vor der Reise zugesandt wurde. Detailliert werden dort die wichtigsten Elemente des Bootsfahrens erklärt. Dies gibt uns die Sicherheit und das gute Gefühl, auch nach der hervorragenden Charterscheineinweisung durch Bernd Wedow einen interaktiven Notizzettel dabei zu haben.

Für die erste Nacht bleiben wir noch im Hafen, gehen am Abend auf ein Bier die Kneipe am Markt von Fürstenberg mit Namen »Holzwurm« und schwelgen auf dem Rückweg in Abenteuern, die unsere Reise mit sich bringen wird.

Ferienboot Europa 400 auf dem Röblinsee bei Fürstenberg © Magazin Seenland

Urlaub auf dem Ferienboot ist Erholung und Abwechslung für die ganze Familie.

Tag 2: Willkommen im Urlaub

Am Sonntagmorgen geht es früh los. Seichte Wellen schaukeln uns aus den Federn. Die ersten Bootsfahrer sind schon auf den Beinen und nutzen die frühen Sonnenstrahlen für einen Ausflug. Nichts wie los, denke ich beim Anblick des schönen Wetters. Die müde Mannschaft wird aus den Kojen geklingelt, frischer Kaffeduft tut sein übriges. Berlin ruft!

Wir passieren die Schleuse Fürstenberg und nehmen Fahrt auf in Richtung Stolpsee. Kaum befinden wir uns auf demselben, kommt Wind auf. Die Kaffetassen an Deck schwanken bedrohlich. Alles hört auf mein Kommando: Fleißige Hände verstauen das Geschirr unter Deck, die Kinder begrüßen jede Welle mit großem Gejuchze. Der Stolpsee erscheint uns wie ein kleines Meer, mit dem Unterschied, dass der See nach drei Kilometern schon in der ruhigen Havel endet. Von nun an schlängelt sich die Havel in ihrem ursprünglichen Flussbett vorbei an Erlen und Buchen. Erst an der Schleuse Bredereiche mit ihrem imposanten Hubtor müssen wir stoppen.

Weiter geht die Fahrt auf der Havel zur Schleuse Regow. Gleich am Schleusengelände befindet sich die Capriolenhof genannte Ziegenkäserei Regow, deren Besuch besonders unsere Kinder erfreut. Im dortigen Hofladen können frische Käseprodukte erworben werden. Die Havel schlängelt sich weiter durch unberührte Landschaften. Die Zeit vergeht wie im Fluge. An der Schleuse Zaaren begrüßen uns zwei rote Lichter: Für heute keine Schleusungen mehr. Wir machen an der Wartestelle fest und genießen bei einer Flasche Rotwein die Stille an Deck.

Tag 3: Unterwegs auf der Havel mit dem Ferienboot

Am nächsten Morgen passieren wir die Schleuse Schorfheide und halten uns backbords in Richtung Templin. Seit der Eröffnung der gleichnamigen Schleuse dient deren Wartestelle nicht mehr als Liegeplatz, so dass wir bis zur Fertigstellung des Stadtanlegers eine provisorische Anlegestelle nutzen müssen. Diese Anstrengung wird durch die schöne Ackerbauerstadt Templin reichlich belohnt. Die Stadtmauer und der Marktplatz sowie das Freibad am See mit Sprungturm bereiten nicht nur den Kindern Vergnügen. Nach einem Mittagessen in der »Rossschwemme«, direkt an der neuen Schleuse, starten wir unsere Tour zurück zur Havel in Richtung Berlin. Wir überqueren den Röddelinsee, an dessen Ufern ab Juni 2006 das Westerndorf »Eldorado« seine Besucher begrüßen wird, und fahren weiter flussabwärts.

Unser nächstes Etappenziel ist die Marina im Ziegeleipark Mildenberg. Schon einige Kilometer vor dem eigentlichen Wasserwanderrastplatz künden unzählige Wasserflächen längs der Havel von der geschichtsträchtigen Entwicklung dieser Landschaft. Von hier stammen die Ziegel, aus denen die Weltstadt Berlins einst erbaut wurde. Noch heute erinnert der Ziegeleipark in Mildenberg an dieses alte Handwerk. Die Marina liegt direkt in einem der alten Ziegeleihäfen. Hier genießt die Mannschaft die Bequemlichkeiten einer guten Marina mit kompletter Infrastruktur und kleinem Laden. Das Schiff liegt sehr idyllisch unter alten Bäumen und am nächsten Morgen ist es nur ein kurzer Weg zur Erlebniswelt des Ziegeleiparks. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall: Der Ringofen zur Ziegelherstellung ist beeindruckend und die technischen Anlagen vermitteln gute Einblicke in die Geschichte der Ziegelproduktion.

Mit dem Ferienboot durchs Tonstichrevier

Auf dem vier Kilometer langen Weg in Richtung Zehdenick machen wir einen kurzen Zwischenstopp am Wasserwanderplatz Wallapoint direkt neben der Einmündung des Welsengraben. Gestärkt passieren wir den Neubau der historischen Klappbrücke in Zehdenick und machen an einem der Anleger im Stadtgebiet fest. Der historische Großfinowmaßkahn am Bollwerk der Elisabeth-Mühle, direkt neben der Tourismusinformation, zieht unsere Blicke auf sich und wird besucht. Wechselnde Ausstellungen im Kahn dokumentieren die Geschichte der Schifffahrt auf den Kanälen des Seenlands.

Ab nun heißt es »Strecke machen«, schließlich möchten wir am Abend noch mit dem Hausboot nach Berlin. Auf den 18 Kilometern bis zur Schleuse Liebenwalde schlängelt sich die »Schnelle Havel« parallel zu unserem Flussbett in ihrer ursprünglichen Form. Ab der Schleuse Liebenwalde nimmt der Berufsschifferverkehr zu, und hier endet die Charterscheinreglung. Und unser gestandener Kapitän Robert, in Besitz eines »Sportbootführerscheins Binnen«, übernimmt das Kommando.
Insbesondere die Schleuse Lehnitz erfordert Fingerspitzengefühl. Die Schleusung von Sportbooten ist hier nur in Kombination mit der Berufsschifffahrt möglich. Längere Wartezeiten sind deshalb nicht ausgeschlossen. Wir haben Glück und passen gleich beim ersten Anlauf mit in die Schleusenkammer. Auf dem Oder-Havel-Kanal gelangen wir nach Oranienburg, wo wir in den alten Havelarm einbiegen und am Bollwerk unweit des Schlosses Oranienburg festmachen. Die älteste barocke Schlossanlage in Brandenburg beherbergt heute eine Ausstellung der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg mit Gemälden niederländischer Meister, wertvollen Wandteppichen und einem Porzellankabinett.

Tag 4: Berlin tut gut

Uns hält es so kurz vor dem Reiseziel nicht lange in den Kojen. Also geht es früh morgens los. Wir überqueren die Stadtgrenze von Berlin und nähern uns der neuen Schleuse Spandau. Wir haben es geschafft: Mit dem Hausboot nach Berlin. Steuerbords passieren wir die Zitadelle Spandau, deren trutzige Mauern und deren massiven Juliustrum, ehemals Beherbergungsstätte für den Reichssschatz, unser Interesse wecken. Doch vorerst müssen wir die gewaltige Spandauer Schleuse meistern – und das gelingt uns mit Bravour! Wir nutzen den Anleger am Schiffbauerdamm, direkt an der Altstadt Spandau und erledigen wichtige Besorgungen auf dem nahe gelegenen Markt. Von einem ersten Shopping in den zu Fuß erreichbaren Spandau Arcaden können wir unsere Kinder kaum abhalten. Wir vertrösten sie fürs erste auf die Rückfahrt und versprechen ihnen zudem einen Besuch in Berlins bester Eisdiele »Florida« direkt gegenüber dem Rathaus Spandau.

Doch vorerst geht es auf der Spree-Oder-Wasserstraße ins Zentrum von Berlin. Wir passieren zuerst einige Industriebauten, die an Spandau als Industriestandort und Produktionsstätte des Siemenskonzerns erinnern. Kurz hinter der Schleuse Charlottenburg beginnt das Ufer grüner zu werden, die Bebauung wird jedoch auch merklich dichter. Wir passieren das Schloss Charlottenburg und schlängeln uns auf der Spree in Windungen in Richtung Regierungsviertel. Als erstes Gebäude erblicken wir das Bundesinnenministerium, dessen markante Glasfassade direkt am Spreeufer gebaut wurde.

Danach geht alles Schlag auf Schlag: Kongresshalle, Kanzleramt, Lehrter Bahnhof, Schweizer Botschaft, Reichstag, Abgeordnetenbüros, Bahnhof Friedrichstraße. Alle Gebäude liegen binnen weniger Kilometer aufgereiht wie an einer Kette entlang der Spree. Während wir unser Mittag zubereiten, taucht das Hauptstadtstudio der ARD auf. Nun heißt es sich beeilen. Direkt hinter der Schiffbauerbrücke, gleich am Bahnhof Friedrichstraße, ist der ideale Anlegeplatz für unser Ferienboot und einen kleinen Stadtrundgang durch Berlin-Mitte. Wie an allen innerstädtischen Liegestellen ist der Aufenthalt auch am Schiffbauerdamm kostenlos und auf 24 Stunden beschränkt.

Auf Landgang durch Berlin

Unsere Wertsachen nehmen wir mit, ansonsten verschließen wir das Boot gut, ziehen die Vorhänge zu und begeben uns ins pulsierende Leben der Hauptstadt. Unser Käpt’n übernimmt als gebürtiger Berliner die Führung. Zuerst geht es die Friedrichstraße entlang, vorbei am Friedrichstadtpalast zur Oranienburger Straße. Hier reihen sich Restaurants und Kneipen aneinander, so dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Für modisch Interesiierte gibt es einige schöne kleine Boutiquen. Nach einem kurzen Imbiss geht es die Straße hinauf bis zum Hackeschen Markt. Ein pulsierender Ort mitten in Berlin, der durch die dort noch erhaltene ursprüngliche Bebauung einen besonderen Charme ausstrahlt. Besonders beeindruckt mich hier der Besuch der Hackeschen Höfe, jener Aneinanderreihung von unzähligen Hinterhöfen zur Verbindung zweier Straßen, sehr sehenswert!

Vom Hackeschen Markt aus gehen wir in Richtung Fernsehtum und Alexanderplatz. Dort bietet es sich an, auf einen Kaffee in die Kugel des Turms zu fahren und in der sich drehenden Kuppel ein unvergleichliches Stadtpanorama zu erleben. Zurück geht es entlang der Straße Unter den Linden hin zum Brandenburger Tor. Direkt hinter dem Tor biegen wir nach links ab und besichtigen das Holocaust-Mahnmal mit seinem Stelenfeld aus Beton.

Ein Sommerabend am Spreeufer im Regierungsviertel

In der Ferne entdecken wir schon das Tagesziel unserer Kinder, das Sonycenter mit 3D-Kino. Auch wenn ich die schnellen Schnitte nicht vertrage, meinen Kindern gefällt die Vorstellung wahnsinnig gut. Damit wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unser Boot an einen ruhigeren Liegeplatz verlegen können, nehmen wir für den Rückweg die S-Bahn, die in wenigen Stationen zurück am Bahnhof Friedrichstraße ist. Der angestrebte Liegeplatz befindet sich im Nikolaiviertel, direkt hinter der Mühlendammschleuse.

Die Mühlendammschleuse hat unter der Woche bis Mitternacht geöffnet, so dass wir ungehindert am späten Abend schleusen und den ruhigen, und glücklicherweise noch freien, Liegeplatz anlaufen können. Mich und meine Frau hält es abends nicht auf dem Boot, so dass wir uns auf den Weg zum Bundespressestrand gegenüber dem Reichstag machen. Am Nachmittag fanden wir diesen großen »Biergarten« gegenüber den Regierungsbauten mit zwei Schwimmbassins und kleiner Bühne schon sehr verlockend. Und wirklich, der Abend in lauer Sommernacht mitten in Berlin enttäuscht uns nicht.

Tag 5: Zurück zur Natur

Übermorgen müssen wir unser Ferienboot wieder in Fürstenberg abgeben, also Leinen los und vor der backsteinernen Oberbaumbrücke in den Landwehrkanal abgebogen. Der Kanal führt mitten durch das pulsierende Leben von Berlin, streift Kreuzberg und mündet an der Schleuse Charlottenburg wieder in der Spree. Von dort aus führt uns der Weg zurück nach Fürstenberg so wie unsere Hinreise mit dem Hausboot nach Berlin verlief. Bis auf einen kurzen Stop für das versprochene Eis- und das Shopping in Spandau geht es ohne lange Pausen zurück in Richtung Fürstenberg. Eine Übernachtungspause legen wir am Gästesteg in Bredereiche ein.

Tag 6: Zum Baden nach Lychen

Bevor wir Fürstenberg erreichen, fahren wir durch die Schleuse Himmelpfort auf den Großen Lychensee und ankern dort. Ein göttliches Gefühl im klaren Wasser des Sees zu baden und sich auf dem Teakholzdeck die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Nach den erlebnisreichen Tagen ein schöner Ausklang des Urlaubs. Mit der letzten Schleusung erreichen wir am Abend den Röblinsee, vertauen unser Schiff und genießen den Sonnenuntergang an Deck.

Tag 7: Heimkehr

Um 9 Uhr übergeben wir besenrein unser Ferienboot an Conny Riot. Als wir schon im Auto sitzen, muss ich noch mal zurück zum Boot. Die DVD von Cardinal Boating liegt noch immer im Abspielgerät. Nicht, dass wir sie nach der anfänglichen Einweisung noch einmal an Bord gebraucht hätten, aber: Bei all den schönen Eindrücken sind wir gar nicht zum Fotografieren gekommen, und so können wir unsere Lieben daheim mittels der DVD an der tollen Stimmung an Bord einer Europa teilhaben lassen. Eine wirklich empfehlenswerte Tour mit dem Hausboot nach Berlin.


Der Seenland Test:

Teste Dein Wissen über das Wassersportrevier Berlin mit unserem kleinen Fragebogen. Hier geht es zum Berlin-Quizz.

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